Krömer hat keine Kenntnis von Flüchtlingsbefragungen

Staatssekretär: Verfassungsschutz vernimmt keine Asylbewerber / Opposition fordert Aufklärung über Vernehmungen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Innenbehörde will nach eigener Aussage keinerlei Kenntnis davon haben, dass in- und ausländische Nachrichtendienste Informationen von Asylbewerbern in Berlin abschöpfen.

Die Praxis des Bundesnachrichtendienstes, Befragungen von Flüchtlingen durchzuführen, ist fast so alt wie die Bundesrepublik Deutschland selbst. Seit 1958 existiert die Berliner Hauptstelle für Befragungswesen (HBW). Im Kalten Krieg vernahm die Dienststelle in Kooperation mit alliierten Nachrichtendiensten etwa im Notaufnahmelager Marienfeld vornehmlich Flüchtlinge aus osteuropäischen Ländern und der DDR. Die Befragungen auf freiwilliger Basis dienen laut Bundesinnenministerium dazu, die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland zu wahren. Heutzutage sind Asylbewerber das Ziel der Informationsgewinnung.

»Im Durchschnitt der vergangenen zwei bis drei Jahre fanden pro Jahr 500 bis 800 Gespräche statt. Im Ergebnis wurden im Anschluss etwa 200 bis 300 Personen befragt«, hatte der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Ole Schröder (CDU), jüngst erstmals im Bundestag eingeräumt. Nach kritischen Medienberichten will die Bundesregierung die Dienststelle in Berlin schließen. Für die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus stellt sich nun allerdings die Frage, was der Berliner Senat von den Befragungen der Flüchtlinge wusste. »Wie viele Asylbewerber wurden in Berlin durch wen und wo befragt«, wollte die Grüne-Abgeordnete Clara Herrmann am Mittwoch von Berlins Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) wissen.

Der Staatssekretär blockte indes mit Verweis auf die Bundesbehörden ab. Und obwohl jahrzehntelang Praxis in der ehemaligen »Frontstadt« erklärte Krömer, der Senat habe keinerlei Kenntnis darüber, wer wo als ausländischer Dienst Befragungen durchführe. Außerdem erklärte Krömer: »Der Verfassungsschutz führt keinerlei Befragungen von Asylbewerbern weder in den eigenen noch in fremden Räumen durch.«

Antworten, die den Aufklärungswillen der Opposition nicht zufriedenstellten. »In Berlin finden geheimdienstliche Tätigkeiten statt, von denen der Berliner Verfassungsschutz nichts weiß«, erklärte Herrmann. Der Verfassungsschutzexperte der LINKEN, Hakan Taş, kritisierte den Senat ebenfalls für seine Ahnungslosigkeit: »Informationen aus den Befragungen der Flüchtlinge wurden an US-amerikanische Geheimdienste weitergeleitet, die diese möglicherweise für Drohneneinsätze verwendet haben.« Auch die Piraten wollen jetzt wissen, welche Behörden Daten austauschten.

Die Grünen schlugen am Mittwoch vor, der Verfassungsschutzausschuss solle selber die HBW am Hohenzollerndamm besuchen. Der Sprecherrat des Ausschusses will das demnächst diskutieren.

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