Berlins NPD-Chef zu Haft verurteilt
Amtsgericht Tiergarten sah den Vorwurf der Volksverhetzung als erwiesen an
Der Brandstifter kam zu seiner Verhandlung als Biedermann - brav in dunklem Anzug. Zuerst der Versuch eines Spielchens mit dem Gericht. Geladen war die Lebenspartnerin des Neonazis, Maria Fank. Sie sollte bestätigen, was sie vor einem Monat bei der Polizei erklärt hatte: Der silberfarbene Koffer mit den menschenverachtenden CDs, der bei einer Ladendurchsuchung in Schmidtkes Militariageschäft in Schöneweide vor über einem Jahr gefunden wurde, gehöre ihr und nicht ihrem Partner. Doch sie wiederholte ihre Aussage nicht und machte von ihrem Recht zu schweigen Gebrauch. Damit war sie nach 20 Sekunden von der Zeugenpflicht entbunden.
Somit konnten Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Anträge stellen. Die Anklage forderte eine Gefängnisstrafe von einem Jahr, da der NPD-Mann bereits sechs Vorstrafen wegen Volksverhetzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und wegen des Verstoßes gegen das brandenburgische Pressegesetz auf seinem Konto hat. Es sei unzweifelhaft, dass der Koffer mit den menschenverachtenden und volksverhetzenden Tonträgern Schmidtke gehörte und mit der Absicht unter der Ladentheke stand, diese Materialien auch zu verbreiten. Es sei völlig abwegig anzunehmen, dass der 28-Jährige - wie er selbst behauptet - nichts vom Inhalt des Koffers gewusst habe. Dass es verfassungsfeindliche und volksverhetzende Texte sind, sei unstrittig. Warum also sollte sich ein Koffer mit illegaler Ware in einem Verkaufsraum befinden, wenn die Ware nicht zum Verkauf, sondern nur für den privaten Gebrauch bestimmt gewesen sei. Bei einigen Tonträgern waren Preisschilder aufgeklebt, andere mehrfach vorhanden. Alles Belege dafür, dass die CDs verbreitet werden sollten. Außerdem stimmten die Aussagen der Hasssongs mit den politischen Überzeugungen des Angeklagten überein. Insofern weise alles auf den NPD-Mann hin, erklärte die Staatsanwaltschaft. Die Aktion der Maria Fank habe keinerlei Beweiswert.
Dann der Auftritt des NPD-Verteidigers. Ein »faires und gerechtes Urteil« forderte er für seinen Mandanten. Die Verhandlung habe keinen Beleg dafür erbracht, dass die CDs verbreitet werden sollten. Er nannte die Texte, in denen dazu aufgerufen wird, Juden, Schwarze, Punks und Linke »abzuschlachten«, zwar »geschmacklos«, zweifelte den volksverhetzenden Charakter jedoch an. Ob denn der Paragraf der Volksverhetzung überhaupt akzeptabel sei, fragte der Anwalt. Es gebe Länder, wo dieses Gesetz nicht existiere. Auch wenn alle Indizien gegen seinen Mandanten sprechen würden und das Gefühl sagt, er sei schuldig, so sei der Beweis nicht hundertprozentig gegeben. Und im Zweifel sei für den Angeklagten zu entscheiden.
Dem folgte das Amtsgericht Tiergarten nicht. Die Richterin nannte es »absurd«, dass Schmidtke völlig ahnungslos gewesen sein sollte. Die Volksverhetzung in den Texten ist eindeutig. Eindeutig auch die Tatsache, dass der Koffer unter dem Ladentisch des Ladenbesitzers gefunden wurde. Es sei unwahrscheinlich, dass der NPD-Boss nicht in den Koffer geschaut habe. Alles spräche gegen eine ausschließlich private Verwendung und dafür alles für die Absicht, die Texte zu verbreiten.
Das Gericht legte die Bewährungszeit auf drei Jahre fest. Sie beginnt in dem Moment, da das Urteil rechtskräftig ist. Wird Schmidtke in dieser Zeit erneut straffällig, muss er die Haft absitzen.
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