Klagewut gegen Meinungsfreiheit

Mutmaßlicher Mitbegründer der Hellersdorfer Bürgerinitiative verliert vor Gericht

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Mitglied der Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf verlor vor Gericht gegen den VVN-BdA: Der Vorwurf einer »rassistischen Einstellung« ist die durch Meinungsfreiheit gedeckt

Ein Urmitglied der umstrittenen Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf unterlag gestern vor dem Berliner Landgericht. André K. wollte der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) gerichtlich untersagen lassen, ihm eine »rassistische Einstellung« zuzuschreiben. Das hatte der Verein in der Beilage zu einer Lokalzeitung behauptet, die im Herbst an viele Hellersdorfer Haushalte verteilt worden war. Die Zeitung durfte bis gestern nicht mehr verbreitet werden. Das Verbot hob das Gericht jetzt auf: Die Äußerung sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und somit nicht zu beanstanden.

André K. räumte vor Gericht ein, sich im Sommer in der Bürgerinitiative engagiert zu haben. So hätte er beispielsweise die Kreideschmierereien »Nein zum Heim« initiiert. Er hat auch eine Demonstration für die Bürgerinitiative angemeldet. Dort waren Spruchbänder wie »Nein zum Heim« und »Erst wir - dann ihr« gezeigt worden, laut VVN-BdA »rassistische Äußerungen«. K. sagte, er habe sich nicht aus rassistischen Motiven heraus gegen das Heim engagiert. »Der Standort ist einfach falsch.« Die Demonstration habe er angemeldet und organisiert, weil »die Politik nicht mit uns Anwohnern reden wollte. Ich wollte die Belange der Anwohner den Politikern gegenüber thematisieren.« Richtig ist, dass die Bezirkspolitik nicht mit der NPD-nahen Bürgerinitiative geredet hat, die auf ihrer Facebookseite von Anfang an rassistische Äußerungen tätigte und bundesweit zum Symbol für fremdenfeindliche Aktionen wurde. Hingegen gab es vielfältige Formen des Bezirkes, mit der Mehrheit der Anwohner über das Asylheim zu sprechen.

André K. erklärte, dass er sich längst von der Bürgerinitiative getrennt hätte, »sobald ich gemerkt habe, dass die in eine kritische Richtung geht.« Gemeinsam mit anderen ehemaligen Mitstreitern hätte er dann einen Verein gegründet, dessen Vorsitzender er ist. Der tritt in der Tat moderater auf als die Bürgerinitiative.

Lea Voigt, Anwältin der VVN-BdA, legte dem Gericht eine eidesstattliche Versicherung der grünen Bezirkspolitikerin Raphaela Kiene vor, die angab, ihr gegenüber hätte André K. sich dazu bekannt, die Bürgerinitiative ins Leben gerufen zu haben. Das wies K. zurück und kündigte an, gegen die »falsche eidesstattliche Versicherung« vorzugehen.

Ob K. den Richterspruch akzeptiert, war indes nicht klar. »Wenn der uns schriftlich vorliegt, werden wir das prüfen«, erklärte sein Anwalt Tim Hoessmann. So oder so wird K. wohl aber nicht das letzte Mal vor Gericht gestanden haben. Am Rande der Gerichtsverhandlung präsentierte er einen Ordner mit knapp 30 Zitaten von Personen, die ihm ebenfalls rassistische Einstellungen oder ähnliches unterstellen, darunter Bezirkspolitiker von Linkspartei und Piraten.

Doch möglicherweise wird André K. sich auch selbst vor einem Strafgericht verantworten müssen. Er hatte ein Gespräch mit der stellvertretenden Bürgermeisterin Dagmar Pohle (LINKE) ohne deren Wissen mitgeschnitten. Der Mitschnitt tauchte im Internet auf der Seite der BI auf. Natürlich ganz ohne sein Zutun, wie er »nd« gegenüber behauptete. Der Mitschnitt sei ihm gestohlen worden. Pohle stellte Strafanzeige, die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Seit Donnerstag hat die BI, deren Facebookseite vor zwei Wochen gelöscht wurde, eine neue Webpräsenz. Dort nennt sie sich »Bürgerbewegung Hellersdorf«.

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