Stahlknechts Alleingang am Unterbau

Weil sich die Koalition nicht einig wurde, plant Sachsen-Anhalts Innenminister die Polizeireform ohne den Landtag

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Weil sich SPD und CDU im Landtag von Sachsen-Anhalt nicht auf eine Polizeireform einigen konnten, nimmt der Innenminister den Umbau ohne das Parlament in Angriff.

Das Polizeigesetz von Sachsen-Anhalt enthält in seinem Paragraf 80 eine unscheinbare Formulierung. Der Innenminister des Landes, heißt es dort, könne Anordnungen treffen, die zur »sachgerechten Erfüllung der Aufgaben« bei der Polizei notwendig seien. Diesen Joker hat Ressortchef Holger Stahlknecht jetzt gezogen, um den gordischen Knoten bei dem nach seiner Ansicht dringend notwendigen Umbau der Polizei im Land zu durchschlagen. Der schneidige CDU-Politiker zieht die Reform im Alleingang durch.

Bisher hatte Stahlknecht auf möglichst breite Beteiligung und Konsens gesetzt: Im Frühjahr hatte er sogar in Konzerthallen geladen, um öffentlich über die Reform zu debattieren - immerhin die zweite innerhalb von fünf Jahren. Polizeiführer hatten bei den Foren berichtet, wie man das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden gedenke: mehr Bürgernähe durch die Quasi-Rückkkehr des ABV, zugleich die Erfüllung der Sparvorgaben von Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD), denen zufolge die Zahl der Vollzugsbeamten schon bis 2016 auf 6000 sinken soll. Derzeit sind es 6700, die letzte Reform 2008 wurde noch mit 8000 Polizisten geplant.

Über die Details von Stahlknechts Vorschlag berieten dann die Innenpolitiker der Koalition aus CDU und SPD - und verhakelten sich heillos. Für Zündstoff sorgte zum Beispiel die Frage, wo ein neu zu schaffendes Polizeipräsidium angesiedelt werden könnte, das Aufgaben der drei jetzigen Polizeidirektionen bündeln soll. Die CDU war für Halle, die SPD nicht. Im September warf deren Innenpolitiker Rüdiger Erben, früher selbst Staatssekretär im Innenministerium, hin: »Wir sind wieder auf Null«, erklärte er. Dort blieb man seither auch.

Nun ist Stahlknecht augenscheinlich der Geduldsfaden gerissen: Er zieht wesentliche Teile der geplanten Reform allein durch, und zwar auf dem Weg eines Erlasses. Ein Gesetz und die Zustimmung des Landtags ist formal nur für Strukturveränderungen beim Oberbau der Polizei notwendig, etwa beim Landeskriminalamt, bei der Fachhochschule der Polizei oder den umstrittenen Polizeidirektionen. Für Veränderungen im Unterbau jedoch hat der Minister freie Hand, wovon er nun umgehend Gebrauch zu machen gedenkt.

Schon zum Juli 2014 sollen die 69 kleinen Polizeistationen im Land geschlossen werden, ebenso die Hälfte der 30 Kommissariate. Sie sind oft nicht in einem berauschenden baulichen Zustand. Marode Büros sind für einen Gutteil des Investitionsstaus verantwortlich, den Stahlknecht auf 190 Millionen Euro beziffert. Dank der Schließung könnte man sich von den Immobilien nun teilweise trennen. Statt dessen sollen die Beamten künftig rund um die Uhr in Streifenwagen durch ihren jeweiligen Beritt patrouillieren. Bis zu 115 Autos sollen in den 56 so genannten Streifenkreisen unterwegs sein. Die Besatzungen sollen auch Ermittlungen und Soforteinsätze übernehmen. Ausschließlich um die Sorgen und Nöte der Bevölkerung sollen sich die 291 Regionalbereichsbeamten kümmern, die viele Ältere an die einstigen ABV, die Abschnittsbevollmächtigten, erinnern werden.

Stahlknecht betont, die Pläne seien mit CDU-Regierungschef Reiner Haseloff sowie mit der CDU-Fraktion abgestimmt. Diese meinte im Vorschlag umgehend auch viele eigene Ideen zu erkennen. Die Fachpolitiker der SPD indes sind außen vor; beim Koalitionspartner war, wie der Minister erklärt, nur die Fraktionschefin Katrin Budde eingebunden. Überhaupt kein Wort mitreden darf die Opposition, die sich umgehend äußerst sauer zeigte. Das sei »ganz schlechter politischer Stil«, sagte LINKE-Innenexpertin Gudrun Tiedge - der freilich der jetzigen Regierung »nicht fremd« sei, wie sie hinzufügte.

Inhaltlich, so ist Tiedge überzeugt, werde auch des Ministers Alleingang wenig fruchten; der Umbau der Polizei werde sein Ziel verfehlen. Deren Dilemma sei ein Mangel an Personal, der dem »Diktat des Finanzministers« geschuldet sei, sagt Tiedge. Ändere sich daran nichts, ließen sich auch »die Probleme nicht wegreformieren - im Gegenteil: Sie werden zunehmen.« Und auch SPD-Mann Erben zweifelt, dass Stahlknecht genügend Leute für seine Reform hat. Die »Mitteldeutsche Zeitung« zitierte ihn mit der Einschätzung, der Minister schaffe »vollendete Tatsachen in der Hoffnung, dass ihm später jemand mehr Personal gibt«.

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