Politik zunehmend im Griff der Industrie
Umwelthilfe: Hinterzimmerlobbyismus gerade bei Strom und in der Autoindustrie angestiegen
Berlin. Die Politik in Deutschland wird nach Einschätzung der Deutschen Umwelthilfe zunehmend von der Industrie kontrolliert. Besonders in den vergangenen vier Jahren habe sich unter der schwarz-gelben Bundesregierung der Hinterzimmerlobbyismus verstärkt, sagte Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch bei der Vorstellung des Jahresberichtes der Umwelthilfe am Freitag in Berlin. Von der neuen schwarz-roten Bundesregierung erwarte die Umweltbewegung deshalb mehr Transparenz bei umwelt- und energiepolitischen Entscheidungen.
Beispielhaft für erfolgreichen Lobbyismus der Autoindustrie ist für Resch die Intervention von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Brüssel gegen strengere CO2-Werte bei Pkw. Erst mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofs sei es der Umwelthilfe schließlich im Sommer gelungen, vom FDP-geführten Wirtschaftsministerium Akten über die massive Einflussnahme der Autoindustrie auf die Verordnung zur Energiekennzeichnung von Pkw zu bekommen.
Auch ein EU-Vorstoß zu mehr Lärmschutz bei Pkw-Motoren sei von der Bundesregierung erfolgreich aufgeweicht worden - zugunsten von Sportwagen. Der entsprechende Referentenentwurf stamme aus der Feder des Sportwagenherstellers Porsche, sagte Resch.
Rund 1.500 Verfahren hat nach seinen Angaben die Deutsche Umwelthilfe in diesem Jahr gegen Unternehmen auf den Weg gebracht. Zum Teil mit Erfolg. So habe Daimler eine Kampagne für die Mercedes S-Klasse zurückziehen müssen, in der mit komplett falschen Verbrauchswerten geworben worden sei.
Ein offizielles Bußgeldverfahren wegen dieses Vergehens sei bis heute von den Behörden nicht angestrengt worden, kritisierte Resch. Jeder Falschparker werde zu Recht sofort belangt, ein Unternehmen, das bewusst die Verbraucher täuscht, aber nicht. »Als Umweltorganisation sind wir zunehmend gefordert, den Staat zur Einhaltung seiner eigenen Gesetze zu zwingen«, bedauert Resch.
Ähnlich intransparent agierten Politik und Wirtschaft bei der Energiewende, kritisierte der Leiter der Politikabteilung bei der Umwelthilfe, Gerd Rosenkranz. Während sich der Strompreis für die Privathaushalte seit 2000 verdoppelt habe, sinke der Preis für Industriebetriebe seit zwei Jahren kontinuierlich, so Rosenkranz. Zudem würden immer mehr energieintensive Unternehmen gänzlich von der EEG-Umlage befreit - mit 2.800 im kommenden Jahr so viel wie nie zuvor.
Das größte Hindernis für eine erfolgreiche Energiewende sind nach Aussage von Rosenkranz aber die Braunkohlekraftwerke. Von denen sollten diejenigen vom Netz genommen werden, die ausschließlich Überkapazitäten produzieren, die in den Export gehen. Agenturen/nd
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