»Rote Flora«: Polizei greift Demonstration an
Kurz nach dem Start Wasserwerfereinsatz und Pfefferspray / Mehr als 7000 Menschen für Erhalt des linken Kulturzentrums in Hamburg
Hamburg. Die Polizei hat die Demonstration für den Erhalt des linken Kulturzentrums »Rote Flora« am Samstag bereits nach wenigen Minuten aufgelöst. Als Grund wurden Angriffe auf Beamte angegeben, außerdem sei die Demonstration angeblich zu früh losgelaufen. Eine Sprecherin wies darauf hin, dass Baustellenabsperrungen auf die Straße gezogen und ein Drogeriemarkt, in dem sich Kunden befunden hätten, mit Steinen attackiert worden wären.
An der Demonstration wollten sich mehr als 7000 Menschen beteiligen. Vor Ort wurde von starken Angriffen der Polizei gesprochen, Greiftrupps hätten versucht, Menschen festzunehmen. Die Polizei beschoss die Demonstration mit Wasserwerfern und setzte Pfefferspray ein. Auf einem Video im Internet ist zu sehen, wie sich Polizisten kurz nach dem Start der Demo entgegenstellen. Beobachter wiesen darauf hin, dass es ganz offenbar die Strategie der Einsatzleitung gewesen sei, die Demonstration nicht weiterlaufen zu lassen.
Christiane Schneider von der Bürgerschaftsfraktion der Linken warf der Polizei eine eskalierende Taktik vor. Sie sprach von einer heftigen Auseinandersetzung, bei der auch Demonstranten heftig zur Sache gegangen seien. Es habe aber auch eskalierende Polizeieinsätze mit ziemlich brutalen Festnahmen und Schlagstockeinsätzen gegeben. Am Abend versuchten Menschen weiter, Kundgebungen abzuhalten. Es gab am Abend immer wieder Scharmützel. Bundesweit wurde zu Soliaktionen aufgerufen.
Bis zum frühen Abend zählte die Polizei 22 verletzte Beamte. Ein Polizist aus Niedersachsen wurde durch einen Steinwurf so schwer verletzt, dass er bewusstlos ins Krankenhaus gebracht werden musste. Genauere Angaben zur Zahl der verletzten Demonstranten gab es zunächst nicht.
Die Polizei hatte am Freitag eine Art Ausnahmezustand über die Innenstadt verhängt. »Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten«, wie die Behörde mitteilte, könnten »Polizeibeamte lageabhängig Personen und mitgeführte Sachen kontrollieren, Platzverweise erteilen, Aufenthaltsverbote aussprechen und Personen in Gewahrsam nehmen«. In Agenturberichten heißt es zur Begründung, die Polizei habe dies »wegen befürchteter Krawalle« durchgesetzt.
Der Protest richtete sich gegen eine Räumung des seit mehr als 20 Jahren besetzten Kulturzentrums »Rote Flora«, wie sie der Eigentümer Klausmartin Kretschmer angedroht hat. Außerdem ging es um das Bleiberecht für Flüchtlinge und die »Esso-Häuser« an der Reeperbahn. Die Häuser waren in der Nacht zum Sonntag wegen Einsturzgefahr evakuiert worden.
Zuvor hatten mehrere Hundert Menschen in St. Georg auf einer Kundgebung für ein Bleiberecht von afrikanischen Flüchtlingen der Lampedusa-Gruppe demonstriert. Vertreter der Flüchtlinge verwiesen auf den Kontrast zwischen dem weihnachtlichen Einkaufstrubel und den Kampf vieler Flüchtlinge ums Überleben. An der Kundgebung beteiligten sich nach Polizeiangaben rund 800 Menschen.
Die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, sagte im Sozialen Netzwerk Facebook, »in Berlin, Hamburg, München und vielen anderen Städten machen Flüchtlinge momentan auf ihre Anliegen lautstark aufmerksam, um ihre politischen Forderungen nach einem Aufenthaltsrecht, für die Abschaffung der Residenzpflicht und einem Leben in Würde Nachdruck zu verleihen, so wie heute in Hamburg. Ich begrüße diese Selbstorganisierung der Migrantinnen und Migranten ausdrücklich. Wir brauchen mehr Menschen, die sich gegen die Abschottungspolitik der EU einmischen.« Agenturen/nd
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16.30 Uhr: Ein Polizeisprecher hat erklärt, die Demonstration sei »zu früh losgelaufen und sei deshalb gestoppt worden«. Inzwischen sei aber eine neue Demo angemeldet worden, die zu den Esso-Häusern führen soll. Diese Version der Polizei ist inzwischen auch anderen bestätigt worden.
16.10 Uhr: Auf Twitter ist zu lesen, dass in mehreren Städten Soliaktionen mit der Demo in Hamburg organisiert werden: unter anderem in Berlin, München, Wien und Stuttgart (hier und hier).
16.05 Uhr: Die Hamburger Linkenpolitikerin Christiane Schneider berichtet über den Kurznachrichtendienst Twitter von »harten Schlagstockeinsätzen und brutalen Festnahmen«, auch habe es »unprovozierte Polizeiangriffe« gegeben. Es seien offenbar »Schwerverletzte abtransportiert« worden. Die Politikerin sagte, sie sei »stinkesauer«.
16 Uhr: Die Nachrichtenagentur dpa berichtet: »Nach Krawallen hat die Polizei die Demonstration zum Erhalt der Roten Flora aufgelöst. Grund seien massive Angriffe auf Beamte gewesen, sagte eine Polizeisprecherin. Die Einsatzkräfte seien mit Steinen, Flaschen und illegaler Pyrotechnik beworfen worden. Zudem seien Baustellenabsperrungen auf die Straße gezogen und ein Drogeriemarkt, in dem sich Kunden befunden hätten, mit Steinen attackiert worden. Die Sprecherin wies daraufhin, dass Randalierer mit der offiziellen Auflösung der Demonstration nicht mehr unter den Schutz des Versammlungsrechtes fielen.«
15.50 Uhr: Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ist davon die Rede, dass Polizisten ihre Waffen gezogen und Warnschüsse abgegeben hätten. Als Quelle wir das »Freies Sender Kombinat« genannt.
15.30 Uhr: Schon kurz nach dem Start der Demonstration für den Erhalt der »Roten Flora« ist es in Hamburg zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die Polizei stoppte den Zug mit der Begründung, Polizisten seien mit Böllern und Rauchbomben beworfen worden. Auch seien Beamte von einer Brücke mit Gegenständen beworfen worden, so eine Polizeisprecherin. Aus der Demonstration heraus wurde hingegen von mehrfachen Angriffen der Polizei gesprochen, Greiftrupps hätten versucht, Menschen festzunehmen. Die Polizei beschoss die Demonstration mit Wasserwerfern und setzte Pfefferspray ein. Offenbar hat die Polizei die Demonstration bereits eingekesselt.
15 Uhr: In der Hansestadt haben sich am Nachmittag mehrere Tausend Menschen zu einer Demonstration für den Erhalt des linken Kulturzentrums »Rote Flora« versammelt. Die nach Polizeiangaben rund 5.500 Teilnehmer kamen vor dem besetzten Gebäude im Schanzenviertel zusammen. In einem Aufruf zu der Aktion heißt es, »dass der aktuelle Konflikt in erster Linie einer um Stadt und Gesellschaft selbst ist. Die Auseinandersetzung geht nicht nur um das Gemäuer am Schulterblatt, sondern ist Teil von und bezieht sich auf die Verhältnisse, die es umgeben«.
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