Schlapphüte auf der Flucht

Unionsfraktion in Niedersachsen schafft sich ihre eigene Verfassungsschutz-Kommission

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.
Niedersachsens CDU hat eine eigene Kommission »zur Zukunft des Verfassungsschutzes« gegründet. Sie ist verärgert, weil sie nicht in der offiziellen »Task Force« vertreten ist, die den Geheimdienst überprüft.

Seit Monaten entzündet das Wort »Verfassungsschutz« den Zorn der niedersächsischen CDU, sobald es im Landtag auftaucht. Dann beginnen Abgeordnete der Union zu schimpfen, sie beklagen immer wieder, dass sie nicht in der von Innenminister Boris Pistorius (SPD) eingerichteten »Task Force« mitwirken dürfen. Dieses Gremium soll ermitteln, in welchem Umfang der Nachrichtendienst unrechtmäßig Bürgerinnen und Bürger bespitzelt und deren Daten gesammelt hat. Pistorius hatte die Öffentlichkeit im September über solch rechtswidrige Praxis informiert, die zur Amtszeit seines Vorgängers Uwe Schünemann (CDU) ausgeübt worden war. Doch die CDU will sich nicht länger mit der Feststellung »wir müssen draußen bleiben« bescheiden. Ihr Fraktionschef Björn Thümler hat überraschend angekündigt: Wir schaffen eine eigene »Kommission zur Zukunft des Verfassungsschutzes«. Leiten soll sie ein Parteifreund, der ehemalige niedersächsische Justizministers Walter Remmers. Die Arbeitsfähigkeit des Verfassungsschutzes sei seit dem Regierungswechsel stark eingeschränkt, wettert Thümler. Vieljährige Mitarbeiter der Behörde seien zutiefst verunsichert oder würden »vor der neuen Amtsleitung regelrecht fliehen«.

Gar sehr hatte es die CDU gewurmt, dass die rot-grüne Landesregierung die Datenaffäre ausgerechnet vier Tage vor der Bundestagswahl und mehreren Kommunalwahlen publik machte. Auch Ex-Minister Schünemann wollte seinerzeit Landrat werden, erhielt aber nicht genug Stimmen. Den Zeitpunkt der Skandal-Offenbarung umwehe »der Geruch politischer Instrumentalisierung«, mutmaßt Björn Thümler nun erneut. Minister Pistorius hatte diesen Vorwurf deutlich zurück gewiesen. In der CDU-eigenen Kommission werden unter anderem Hamburgs Ex-Innensenator Heino Vahldieck, ein früher Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie Unionsabgeordnete mitwirken. Ob diese Runde jedoch ähnlich effektiv arbeiten kann wie die »Task Force«, ist zu bezweifeln. Thümlers Truppe wird kaum Zugang zu den Interna bekommen, in denen das offizielle Gremium der Regierung stöbern darf. Zur »Task Force« gehören die Vizepräsidentin des Verfassungsschutzes, drei Mitarbeiter des Innenministeriums, je ein Experte von Polizei und Justiz sowie ein Vertreter des Landes-Datenschutzbeauftragten. Wie weit die Kompetenzen der Task Force reichen, hatte der Innenminister unlängst mitgeteilt: Die Gruppe habe »vollständigen Zugriff« auf die Amtsdatei des Verfassungsschutzes sowie auf dessen Akten in der Registratur.

Knapp 9000 personenbezogene Daten überprüft die Task Force. Exakt 1953 Datensätze hat der Geheimdienst unter dem Stichwort Linksextremismus erfasst, 3272 in der Rubrik Rechtsextremismus. In die Kategorie »Extremismus mit Auslandsbezug/Islamismus« hat die Behörde 3679 Datensätze eingeordnet. Daten, die nach Urteil der »Task Force« unzulässig erfasst worden waren, werden gelöscht.

Im Oktober hatte die »Task Force« ihre Arbeit aufgenommen, für die drei Monate vorgesehen waren. Doch dieser Zeitplan geht nicht auf. Die Prüfung der einzelnen Fälle erfordert laut Pistorius »einen deutlich höheren Aufwand als erwartet«. Bis Ende April, so ist jetzt angestrebt, soll die Task Force ihre Erkenntnisse den Fachausschüssen des Landtages vorlegen.

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