Legende mit Brille

Von Eddie the Eagle bis zum Griechen aus Oberstdorf: Skisprung-Exoten haben es heute deutlich schwerer als einst

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 4 Min.
In Oberstdorf gab es am Rand der 62. Vierschanzentournee den Briten »Eddie« Edwards zu erleben, 1988 in Calgary Publikumsliebling. So leicht wie damals kommt man 2014 nicht zu Olympia.

Eddie the Eagle steht in Oberstdorf lächelnd vor einem Riesentruck abseits der Schanze und schreibt Autogramme auf rote Klatschpappen mit seinem Gesicht. Die Leute kennen den Vater aller Exoten im Wintersport hier am Ort des Auftaktspringens der 62. Vierschanzentournee immer noch. Obwohl seine große Zeit über ein Vierteljahrhundert zurückliegt.

»Außerdem bin ich fünf Kilo leichter als damals. Mindestens. Die Leute haben mich trotzdem immer noch in ihr Herz geschlossen«, sagt Eddie mit typisch englischem Humor. Bei den Olympischen Spielen 1988 in Calgary war der übergewichtige Engländer mit den aschenbecherstarken Brillengläsern zur Legende geworden, als er zweimal beim Skispringen ganz hinten landete und doch zum Liebling von Millionen aus aller Welt wurde.

Bei der Schlussfeier würdigte der Präsident der Spiele Michael »the Eagle« Edwards damals als ersten Athleten der Olympia-Geschichte persönlich: »Einige haben Gold gewonnen, einige haben Rekorde gebrochen, und einer ist sogar wie ein Adler geflogen.« 100 000 Fans im Stadion riefen damals »Eddie, Eddie«. Er wurde reich, war wenige Jahre später bankrott und kann auch heute noch mit seinem Image als schlechtester Skispringer aller Zeiten Geld verdienen. So wie in Oberstdorf, wo er für einen Elektronikfachmarkt wirbt und mit Skisprungkindern im Rahmenprogramm auf Schneeschanzen um die Wette springt.

Der Oberstdorfer Organisationschef Stefan Huber findet das gut, weil Eddie the Eagle einen »Showfaktor« in die Veranstaltung bringt und »etwas für das Liveerlebnis im Stadion« tut. Seit der großen Zeit des schrägen Briten hat sich nämlich im Skispringen viel verändert. Längst ist es nicht mehr so, dass der Springer mit den weitesten Sprüngen in der Regel am Ende gewinnt. Das Fliegen von heute ist ein kompliziertes Rechenexempel aus Windfaktor, Anlauflänge, Haltungsnoten und Weite, das man nicht einmal daheim vor dem Fernseher so richtig durchschaut. Zudem haben leistungsschwache wie liebenswerte Exoten heutzutage keine Chance mehr - der Internationale Skiverband FIS hatte schon kurz nach dem Auftritt des schrägen Briten in Calgary extra die Regeln geändert.

Auch der Plan von Adler-Eddie, diesmal in Oberstdorf nur als Vorspringer anzutreten, wurde gnadenlos abgeschmettert. »Ein reiner Show-Act kommt nicht in Frage«, beschied FIS-Renndirektor Walter Hofer. »Dabei wäre ich heute vielleicht besser als damals. Vielleicht könnte ich mich sogar noch für Olympia in Sotschi qualifizieren«, sagt Eddie dazu mit einem Grinsen. Er weiß natürlich selbst, dass er überhaupt keine Chance hätte.

Schließlich tut sich selbst Nico Polychronidis, der einzige »Skisprung-Exot« der neuen Zeitrechnung schwer damit. Obwohl er mit 24 im besten Fliegeralter ist und beste Trainingsbedingungen hat. Der durch die deutsche Skispringerschule gegangene Mann wohnt in Oberstdorf, startet aber seit einiger Zeit für Griechenland, das Heimatland seines Vaters. Ein Land, in dem es genau wie in Eddies Großbritannien keine einzige Skisprungschanze gibt.

»Der griechische Skiverband will unbedingt, dass ich bei den Winterspielen dabei bin. Vielleicht könnte ich ja sogar als Fahnenträger bei der Eröffnungsfeier ins Stadion einlaufen. Das wäre ein Traum«, erzählt Polychronidis und seine Augen strahlen. Das große Problem daran: Er braucht nach den seit Eddies Auftritt in Calgary geänderten Regeln der FIS mindestens einen Weltcuppunkt oder eine ganze Handvoll Zähler im Continentalcup, um in Sotschi starten zu dürfen. In Oberstdorf ist er wieder mal gescheitert: Als 67. von 71 in der Qualifikation verpasste er die Teilnahme an der Auftaktkonkurrenz der Tournee.

»Zum einen verstehe ich die strengen Teilahmeregeln ja, weil die Sportart ernstgenommen werden will. Zum anderen ist es doch toll, dass Leute wie Eddie the Eagle bei Olympia dabei sein können. Das ist doch eigentlich der Sinn Olympischer Spiele«, findet der Grieche aus Oberstdorf. Der technokratisch gewordenen Skisprungwelt sind solch menschliche Gedanken jedoch fremd geworden.

Deshalb konzentriert sich der gelernte Maurer Eddie the Eagle daheim in Cheltenham auch auf den Häuserbau und seine zwei Töchter - und versucht, die Zuhörer mit seiner Story »My Life as Britain's First and Last Olympic Ski Jumper« abseits der Schanzen zu begeistern. Natürlich auch am Rande des Neujahrsspringens in Garmisch-Partenkirchen am Mittwoch.

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