- Kultur
- Politisches Buch
LESEPROBE
Klassenkompromiss 1914
Der Krieg von 1914 bis 1918 leitete nicht nur einen Zyklus von Krieg und Revolution ein, der das Gesicht Europas vollständig veränderte. In dem die Parteien der Zweiten Sozialistischen Internationale auf entgegengesetzten Seiten in den Krieg traten, war sein Beginn gleichzeitig mit der bis dahin schwersten Niederlage der Arbeiterbewegung verknüpft. Die Oktoberrevolution 1917, der Sieg der Sowjetunion 1945 und der Aufbau des Sozialismus im östlichen Deutschland schienen diese Niederlage zunächst mehr als wettzumachen. Aber als 1989 die DDR unterging und die anschließende Auflösung der Sowjetunion das »kurze« 20. Jahrhundert mit dem Triumph des Kapitalismus zu Ende gehen ließ, stand der Marxismus erneut vor einem Trümmerhaufen, der nur diesmal um einiges gewaltiger war als 1914 - und genauso unbegriffen.
Die Beschäftigung mit diesem Problem führt zu der Fragestellung, warum das Deutsche Kaiserreich 1914 überhaupt in den Krieg gegangen ist. Wurde es vom Kapital dort hineingetrieben? Seit der Reichsgründung hatte die deutsche Wirtschaft einen unglaublichen Aufschwung genommen, Frankreich und Großbritannien überholt und zusammen mit den USA die Spitze der kapitalistischen Weltwirtschaft übernommen. Weit sicherer als durch eine militärische Auseinandersetzung konnte man den Sieg im ökonomischen Konkurrenzkampf erringen. Warum also der Krieg?
Um darauf eine Antwort zu finden, werden im Folgenden die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen untersucht, die das Kaiserreich bewegten - darin eingeschlossen die Politik der SPD, ohne deren Einverständnis der Krieg nicht zu führen war. Ausgangspunkt ist der Klassenkonflikt, der im Preußen der 1860er Jahre als Verfassungsstreit ausgetragen wurde und viel harmloser wirkte als die Revolution von 1848/49, dessen Ausgang aber die Geschicke Deutschlands und Europas bis ins 20. Jahrhundert hinein bestimmte.
Aus dem Vorwort von Heiner Karuscheit zu seinem Buch »Deutschland 1914. Vom Klassenkompromiss zum Krieg« (VSA, 252 S., br., 19,80 €. ).
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.