Fall Pofalla: SPD uneins über Konsequenzen

Stegner für Karenzzeit-Gesetz - Högl für Selbstverpflichtung / Gewerkschafter im Bahn-Aufsichtsrat: Merkel muss die Karten offenlegen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. In der Diskussion über den möglichen Wechsel des früheren Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU) in den Vorstand der Deutschen Bahn gibt es unter Sozialdemokraten Meinungsverschiedenheiten über etwaige gesetzliche Konsequenzen.

Der Koordinator des linken SPD-Parteiflügels, Ralf Stegner, forderte ein rasches Gesetz zu Übergangsfristen für in die Wirtschaft wechselnde Politiker. »Die große Koalition sollte noch in diesem Jahr ein Gesetz auf den Weg bringen, das den Wechsel von Politikern in die Wirtschaft regelt«, sagte Stegner der »Rheinischen Post«. Dagegen meinte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl gegenüber dem »Handelsblatt«, sie setze auf eine Selbstverpflichtung der Betroffenen.

Inzwischen haben die Grünen angekündigt, kommende Woche im Bundestag die Regierung aufzufordern, einen Gesetzentwurf zur Einführung einer dreijährigen Karenzzeit für wechselwillige Spitzenpolitiker vorzulegen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der »Rheinischen Post«, wenn jemand selbst, wie Pofalla, Entscheidungen getroffen habe, »die den künftigen Arbeitgeber betreffen, muss die Übergangszeit drei Jahre betragen«.

Der Verwaltungsrechtsexperte Hans Herbert von Arnim sagte der »Mitteldeutschen Zeitung«, da müsse »dringend eine gesetzliche Regelung her«. Man brauche eine Karenzzeit »von mindestens drei, eigentlich aber von fünf Jahren. Es hängt natürlich davon ab, ob ein ehemaliger Minister in ein Unternehmen geht, mit dem er als Minister zu tun hatte. Aber das ist beim Chef des Bundeskanzleramtes ja fast immer der Fall.«

Von Arnim sagte, das Problem bestehe bereits, seitdem der frühere Kanzler Gerhard Schröder (SPD) 2005 zu dem Gasunternehmen Nord Stream gewechselt sei. »Jeder hatte damals das Gefühl: So geht es eigentlich nicht. Und trotzdem ist nichts passiert. Jetzt steht zwar in der Koalitionsvereinbarung, man wolle etwas machen. Aber das muss dann auch schnell geschehen.«

Derweil rechnen die Beschäftigtenvertreter im Bahn-Aufsichtsrat nicht mit einer schnellen Entscheidung zum möglichen Wechsel Pofallas. Die Personalie könne frühestens bei der Aufsichtsratssitzung im März behandelt werden, erklärte der Konzernbetriebsratsvorsitzende Jens Schwarz gegenüber Bild.de am Dienstag. Zwar gebe es eine Sondersitzung des Aufsichtsrates im Januar, das Thema Pofalla stehe dort aber nicht auf der Tagesordnung, sagte Schwarz.

Ähnlich äußerte sich sein Kollege Alexander Kirchner, Vorsitzende der Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG): »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Aufsichtsrat schnell über diese Personalie entscheidet«, sagte der Vize-Vorsitzende des Bahn-Kontrollgremiums der »Passauer Neuen Presse«.

Der Bahn-Aufsichtsrat kommt am 30. Januar zu einer Sondersitzung zusammen. In dem Gremium gibt es starke Vorbehalte gegen eine Berufung Pofallas in den Bahn-Vorstand, wo für ihn offenbar ein neuer Posten geschaffen werden soll.

Die Beschäftigtenvertreter forderten eine Erklärung zu den Berichten über den Wechsel Pofallas. »Bundesregierung und Vorstand müssen jetzt aufklären«, erklärte Schwarz. Kirchner sagte, die Kontrolleure hätten auch nur aus den Medien von einem möglichen Wechsel des Ex-Kanzleramtsministers in den Konzernvorstand erfahren. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) müssten jetzt »endlich die Karten offen legen«. Es sei »ein Unding, dass der Aufsichtsrat so lange im Ungewissen bleibt.«

Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Joosten kritisiert die Erweiterung des Vorstandes. Das Staatsunternehmen Bahn brauche Lobbyisten mit politischen Kontakten, sagte das Mitglied des Gesamtbetriebsrats im DB Fernverkehr: »Aber ich frage mich: Warum muss es denn unbedingt ein Posten im Vorstand sein?« Agenturen/nd

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