Neue Wohnung: Klein, aber teuer
Wohnungssuchende würden bis knapp neun Euro pro Quadratmeter zahlen
Wer hätte das gedacht: Wohnungssuchende in Berlin sind bereit, im Schnitt bis zu 8,70 Euro netto/kalt pro Quadratmeter für eine Wohnung zu bezahlen. Das ist das Ergebnis einer bundesweit bisher einmaligen Studie. Im Auftrag des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) wurden dafür 1,7 Millionen Datensätze des online-Suchportals Immobilienscout24 ausgewertet. Damit liege die Zahlungsbereitschaft um fast 60 Prozent über dem aktuellen Mietspiegelmittelwert von 5,54 Euro pro Quadratmeter, erklärte gestern BBU-Chefin Maren Kern bei der Vorstellung. »Das zeigt, wie günstig Wohnen in Berlin nach wie vor ist.«
Allerdings werden eher kleinere Wohnungen gesucht, vor allem zwischen 60 und 79 Quadratmeter, das dürfte die Kosten insgesamt etwas drücken. Im Schnitt werden 450 Euro netto/kalt als Mietobergrenze angegeben. In Zehlendorf oder Prenzlauer Berg dürfen sie gern auch etwas teurer und größer sein, in Spandau, Marzahn Wedding und Reinickendorf werden kleinere und günstigere Wohnungen gesucht. Derzeit würden in Berlin aber Wohnungen mit meist 100 Quadratmetern und mehr gebaut, kritisierte Kern. »Offenbar wurde bislang kaum für breite Schichten der Bevölkerung gebaut. Da haben wir Nachholbedarf.«
Am höchsten ist die Mietzahlungsbereitschaft in Prenzlauer Berg (9,52 Euro pro Quadratmeter) und Wilmersdorf (8,89 Euro), am geringsten in Spandau (7,56 Euro) und Marzahn (7,86).
Wer bei einem BBU-Unternehmen eine Wohnung beziehen wollte, musste in Charlottenburg-Wilmersdorf 6,59 Euro pro Quadratmeter bezahlen, in Steglitz-Zehlendorf 6,34 und in Mitte 6,11 Euro.
Am niedrigsten waren die Neuvertragsmieten in Marzahn-Hellersdorf (5,17 Euro), Reinickendorf (5,43) und Neukölln (5,59 Euro).
Der Leerstand bei den BBU-Unternehmen ist mit 2,3 Prozent auf dem niedrigsten Stand seit 1996. In den Innenstadtbezirken liegt er unter zwei Prozent, in Pankow (3,8), Reinickendorf (3,6) und Marzahn (3,5) ist er am niedrigsten.
303 000 Berliner zogen 2012 um und damit 8,6 Prozent der Einwohner. 2002 wechselten noch 380 000 Berliner die Wohnung (11,2 Prozent). bka
Besonders gefragt sind laut Studie die innenstadtnahen Stadtteile Charlottenburg, Prenzlauer Berg, Friedrichshain, Kreuzberg und Schöneberg. Am geringsten ist das Interesse an Hellersdorf, Marzahn und Hohenschönhausen. Die Konzentration auf die innerstädtischen Gebiete erkläre, warum es hier kaum noch leer stehende Wohnungen gibt, so Kern. Bei den BBU-Mitgliedsunternehmen, zu denen auch die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und viele Genossenschaften gehören, beträgt die Leerstandsquote insgesamt nur noch 2,3 Prozent. Besonders Zuzügler aus dem Bundesgebiet ziehe es in die Innenstadt. »Die wollen gut versorgt werden und wissen noch nicht, dass Berlin viele Zentren hat«, erklärt Kern den Hang zur Mitte.
Besonders wichtig seien den Wohnungssuchenden Balkon und Einbauküche. Auf einen Aufzug oder behindertengerechte Ausstattung legten die Internetnutzer dagegen weniger Wert. »Wir werden aber alle älter«, begründete Kern, weshalb beim Wohnungsneubau nicht auf einen (teuren) Aufzug verzichtet werden sollte.
Welche Schlussfolgerungen der Verband aus der Zahlungsbereitschaft zieht, ist unklar. »Wir nutzen das nicht aus«, versprach Kern und verwies auf die soziale Verantwortung der BBU-Unternehmen. Die seien schon immer mit »eingebauter Mietpreisbremse« unterwegs, weshalb die jetzt von der Bundesregierung geplante auch abgelehnt wird. Der Mieter in einer BBU-Wohnung bezahlte Ende 2012 im Schnitt 5,16 Euro pro Quadratmeter netto/kalt, 2,4 Prozent mehr als im Jahr zuvor, aber deutlich weniger als im Berliner Durchschnitt (5,54 Euro). Kern verwies darauf, dass die Haushaltseinkommen um 3,1 Prozent zugelegt hätten. Die Neuvertragsmieten lagen bei den BBU-Mitgliedern im vergangenen Jahr bei 5,85 Euro pro Quadratmeter. Trotz eines Anstiegs um 3,5 Prozent sind sie damit ein gutes Fünftel günstiger als insgesamt in Berlin. Wer 2012 in eine andere Wohnung zog, musste nach Berechnungen des Forschungsinstituts F+B im Schnitt 7,40 Euro bezahlen.
Der Berliner Mieterverein warnte davor, aus der Mietzahlungsbereitschaft falsche Schlüsse zu ziehen. Die Wohnungssuchenden würden sich damit lediglich an den Forderungen der Vermieter bei Wiedervermietung orientieren, so Geschäftsführer Reiner Wild. »Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Den Suchenden bleibt gar nichts anderes übrig, wenn sie eine Wohnung finden wollen.« Der Vergleich mit den Bestandsmieten sei nicht redlich.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!