Das große Putzen
Flüchtlinge unterziehen besetzte Schule in Kreuzberg einer Grundreinigung / Bezirk verhandelt über Projektpläne
Die drei Streifen: blitze blank. Peter, wie er sich nennt, putzt gerade sein zweites Paar Turnschuhe und stellt sie ordentlich neben die anderen. Am Ende des Flurs wienert ein anderer ebenso akribisch das Weiß in seine Sneaker zurück. Das ganze Haus ist scheinbar in Aufruhr, seit es am vergangenen Freitag eine große Putzaktion gegeben hat. Das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg hatte in einem Aushang angekündigt, dass es mit den hygienischen Zuständen in der von Flüchtlingen bewohnten Gerhart-Hauptmann-Schule in der Reichenberger Straße so nicht weitergehen kann, auch das Gesundheitsamt war vor Ort. Vergangene Woche dann der Großeinsatz im Haus, um einer Räumung keinen Vorschub zu leisten.
Jetzt ist der Fußboden gewischt, es riecht immer noch leicht nach Zitrusreiniger. Menschen mit Plastikschüsseln und Lappen laufen immer wieder zwischen den Toiletten und ihren Zimmern hin und her. In den Toiletten selbst ist allerdings glücklich, wer eine der letzten noch sauberen erwischt, der Rest braucht gute Oberschenkelmuskulatur. »Es gibt Flure, die sind sehr gut organisiert, bei anderen wiederum herrscht Chaos«, sagt eine Aktivistin, die sich für die Frauen im Haus engagiert. Jede Nation hat ihren eigenen Bereich. Die Frauen leben in einem extra Flügel, dessen Eingangstür abschließbar ist. »Wenn ich meinen Fuß hier vor die Tür setze, gibt es Ärger«, sagt John und lacht. Er kommt gerade vom Flaschensammeln zurück und verschwindet in einem Zimmer am anderen Ende des Ganges, das nur durch eine Decke und eine ausgehängte Tür notdürftig verschlossen ist. Andere haben sich aus Fahrradschlössern und Klebeband ein bisschen Privatsphäre zusammengebastelt. Die Bewohner erzählen sich von eingetretenen Türen und gestohlenen Handys. Ins Haus kommt und geht, wer will.
Die Grünen Fraktionsvorsitzende Ramona Pop hatte die Zustände in der besetzten Schule kürzlich als »unhaltbar« kritisiert. Bis das vom Bezirk geplante Projekthaus in der alten Schule realisiert ist, sind die Flüchtlinge hier geduldet. Der Bezirk kommt für Wasser und Strom auf.
Mittlerweile gibt es Gespräche zwischen Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) und den Bewohnern, wie es weitergehen soll. Die Sicherheitslage im Haus ist immer wieder Thema. Ebenso will sich der Bezirk einen Überblick darüber verschaffen, wer genau in dem maroden Gebäude wohnt. Auf 300 Quadratmetern könnten neben Beratungseinrichtungen für Flüchtlinge und einem Kieztreff auch Wohnungen entstehen, so Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne).
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