Theaterfreunde von morgen gesucht
Sachsen überprüft Ausgaben für seine Kulturräume - das hat Folgen
Kultur kostet. Vor allem dort, wo immer weniger Menschen zu Hause sind, ist sie oft kaum noch bezahlbar. Vor diesem Hintergrund leistet sich Sachsen ein bundesweit einzigartiges Kulturraumgesetz. Es organisiert die Unterhaltung regional bedeutsamer Theater, Museen oder Orchester so, dass die Kosten hierfür nicht allein auf der Stadt lasten, in der sie residieren, sondern auch durch das Umland getragen werden. Denn dessen Bürger nutzen sie ja traditionell ebenfalls.
Dazu gliedert sich der Freistaat seit dem Jahr 1994 in die fünf ländlichen Kulturräume Erzgebirge-Mittelsachsen, Leipziger Raum, Meißen-Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Oberlausitz-Niederschlesien sowie Vogtland-Zwickau. Hinzu kommen als so genannte urbane Kulturräume die Metropolen Chemnitz, Dresden und Leipzig, wobei einige Dresdener Kunsttempel - Semperoper, Staatskapelle, Gemäldegalerien - als Landeseigentum firmieren und damit noch gesondert alimentiert werden.
Das Land selbst schießt den Kulturräumen im Rahmen dieses Kulturlastenausgleiches seit 2005 jährlich mindestens 82 Millionen Euro zu. Doch die Zeichen, dass dies so bleibt, stehen schlecht. Mit Blick auf 2019, wenn der Solidarpakt II ausläuft und die ostdeutschen Länder dann ihr Geld stärker selbst erwirtschaften müssen, lässt die Dresdner Regierung nun evaluieren: Wie gut sind die kulturellen Einrichtungen aufgestellt, wie werden sie gemanagt, wie sehen die Nutzungsquoten aus?
Da offenbar Kürzungen beim Landesanteil als sicher gelten, konkurrieren hierbei zwei Denkmodelle: Sollte man eher auf dem flachen Land reduzieren, um damit die Kultur in den Großstädten zu sichern? Oder sollte man erst recht die ländlichen Räume fördern, da es den Großstädten noch vergleichsweise gut geht?
In den Kulturräumen Sachsens, gerade in den ländlichen, schaut man derweil nicht zu und dreht nervös Däumchen. Einige geben sich kämpferisch, wie die Manager von Oberlausitz-Niederschlesien, die derzeit vor dem Verwaltungsgericht Dresden klagen, weil sie sich schon jetzt beim Berechnungsmodell für die künftigen Landesgelder benachteiligt sehen.
Im Leipziger Raum dagegen versucht man es eher phantasievoll. »KulturTotal« heißt hier ein Programm, mit dem man einem Hauptmanko von kultureller Unterfinanzierung zu Leibe rücken will: Kindern fehlt zunehmend der Zugang zu traditioneller Kultur, so dass immer weniger Theater- und Museumsgänger nachwachsen. Deshalb tun sich in den verschiedenen Städten dieses Kulturraumes stets alle wichtige Protagonisten zusammen, um gemeinsam kulturelle Brücken in sämtliche Kitas und Schulen zu schlagen.
Jede Stadt erwählt dabei ihr eigenes übergreifendes Thema. In Delitzsch nennt es sich »Barock«, wobei man sich etwa um den tänzerischen Gleichklang von Menuett und Hip Hop bemüht. In der Kurstadt in Bad Lausick geht es um »Wasser«, in Wurzen um »Ringelnatz, Sohn unserer Stadt«.
Schkeuditz dagegen ist dem Biedermeier verfallen. Der Anlass hierfür ist jedoch originell: Denn 1844, mitten in jener Stilphase also, wurde hier ein Kindergarten gegründet, der heute mit seinen 170 Jahren als ältester Sachsens gilt. So steigt im Sommer ein »Schkeuditzer Kinderfest im Sommer 1844«, zu dem sich Groß und Klein biedermeierplüschig ausstaffieren werden.
Wichtiger als diese Maskerade sind den Akteuren indes die künstlerischen Höhepunkte, auf die sich die Kulturvereine gemeinsam mit Gymnasium, Mittelschule sowie den je drei Grundschulen und Kindergärten der Stadt vorbereiten. Vor allem um ein 35-minütiges Musiktheaterstück, thematisch von den Grimm-Brüdern entlehnt, dreht sich momentan sehr viel: »Schneeweißchen und Rosenrot«.
Natürlich stamme das Märchen aus der Gründungszeit des Kindergartens, schmunzelt Christoph Zwiener . Der 49-jährige Musikpädagoge, Komponist und Chorleiter koordiniert nicht nur das Schkeuditzer Kulturraum-Projekt, er ist auch der kreative Kopf des Strandvereins im Ortsteil Hayna. Und dieser schuf sich in den letzten Jahren an einem gefluteten früheren Tagebau einen Biedermeierstrand wie aus dem Bilderbuch - von Badekarren bis Schiffsschaukel. Vor allem ist das renaturierte Ufer nun aber auch Schauplatz für musikalische Kammerspiele, Konzerte und kulturvolle Strandfeste, oft natürlich authentisch kostümiert.
Was das Märchenstück im Sommer betrifft, seien die mitwirkenden Kinder und Jugendlichen in die komplette Vorbereitung eingebunden, so Zwiener. Assistiert von Profis nähen sie ihre Kostüme, bauen das Bühnenbild, proben in Tanz-, Gesangs- und Schauspielkursen und drehen im Kurs Mediengestaltung kleine Podcasts für die Schulhomepage. Möge diese Liebe zur Kultur danach möglichst allen erhalten bleiben, hofft er. Die Hauptrollen von Schneeweißchen und Rosenrot hatte Zwiener eben erst mit zwei 14-jährigen Gymnasiastinnen besetzt: Sie zeigten sich während der letzten Probewochen am talentiertesten.
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