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Arbeiten bis zum Umfallen
Für den Gewerkschafter Dietmar Schäfers sind Arbeitsbedingungen auf Sportbaustellen zum Teil nicht hinnehmbar
Leid und Ausbeutung der Arbeiter in Sotschi drohen in wenigen Wochen in Vergessenheit zu geraten. Werden die Olympischen Winterspiele in Russland am 7. Februar eröffnet, stehen Wettkämpfe, Sportler und Medaillen im Mittelpunkt. Das hässliche Drumherum stört die Freude am Geschehen und wird dann wohl - wie so oft - kaum beachtet.
Die Arbeitsmigranten auf den Baustellen der Schwarzmeermetropole haben nach wie vor keinen Anlass zum Jubeln. Viele mussten unter erbärmlichen Bedingungen arbeiten und wurden um ihren Lohn betrogen. Es ist schon aus diesem Grund richtig, dass Bundespräsident Joachim Gauck seine Teilnahme an dem Event verweigert. Wie die persönliche Freiheit, die das Staatsoberhaupt immer wieder einfordert, gehören selbstverständlich auch ordentliche Arbeitsbedingungen zu den Menschenrechten. Diese aber werden in Russland missachtet. Deshalb ist es nachvollziehbar, wenn Gauck nicht zum Feiern in Sotschi zumute ist. Das hat nichts mit verweigerter Wertschätzung von Athleten zu tun, wie mancher Vorbildsportler sich einreden lässt. Im Gegenteil: Es wird sicher Teilnehmer geben, die selbst mit einem mulmigen Gefühl zu den Wettkämpfen fahren. Und möglicherweise erleben wir dort Protestaktionen. Es wäre nicht das erste Mal bei Olympischen Spielen.
Russland sollte sich ab kommender Woche besser nicht auf die Ablenkung durch das große Olympia-Spektakel verlassen. In vier Jahren wird dort die Fußballweltmeisterschaft ausgetragen. Die IG BAU und der Weltverband der Baugewerkschaften BHI werden im Vorfeld des Turniers die Stadienbaustellen besuchen und die Arbeitsbedingungen vor Ort öffentlich machen. Die Vorbereitungen für eine Reise nach Russland laufen bereits.
Es wäre jedoch falsch, aus der schlechten Behandlung der Beschäftigten beim Bau von Sportstätten abzuleiten, dass bei Großprojekten Arbeitsrechte zwangsläufig missachtet werden. Welche Standards bei der Vorbereitung von Olympischen Spielen oder Fußballweltmeisterschaften in den Gastgeberländern gelten, lässt sich ebenso verhandeln wie die vielen anderen Bedingungen, die von den Organisatoren für die Ausrichtung vorgegeben werden. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) oder die Internationale Föderation des Verbandsfußballs (FIFA) tragen die Verantwortung dafür, dass Menschenrechte eingehalten werden. Wenn beide sich kurzerhand für nicht zuständig erklären, sobald es um den Schutz der Arbeitnehmer geht, ist das beschämend. In wirtschaftlichen Belangen sind IOC und FIFA dagegen weniger zurückhaltend. Den Gastgebern werden vielfältige Auflagen erteilt - bis hin zur Verpflichtung, selbst außerhalb der Stadien Werbung von Nicht-Sponsoren zu verhüllen.
Dabei sind es nicht nur die Organisatoren, die sich aus der Verantwortung stehlen. So ist es kaum zu ertragen, dass mit Willi Lemke (SPD) ausgerechnet der UNO-Sonderberater für Sport der Meinung ist, dass »nicht zu Lasten des Sports politische Konflikte ausgetragen« werden könnten. Die Vereinten Nationen sind die Hüter der Menschenrechte! Gerade ihre Vertreter sollten sich gegen die sklavenähnliche Ausbeutung von Arbeiternehmern beim Bau von Sportstätten stark machen. Damit faire Wettkämpfe in fair gebauten Stadien stattfinden können.
Die IG BAU setzt sich gemeinsam mit dem BHI für menschenwürdige Arbeit auf Baustellen ein. Während ein Großteil dieser Anstrengungen für gewöhnlich von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird, sorgen Presseberichte über die Zustände auf Baustellen für sportliche Großereignisse gegenwärtig für große Aufmerksamkeit. Dadurch entsteht öffentlicher Druck sowohl auf die Politik als auch auf die Organisatoren, daran etwas zu verändern. Verbesserungen wirken dann mitunter über das Event hinaus.
So ist es bei den Stadienbaustellen für die Fußball-WM in diesem Jahr in Brasilien den Landesgewerkschaften mit Unterstützung der BHI gelungen, vernünftige Löhne und die Einhaltung von akzeptablen Arbeitsstandards durchzusetzen. Dagegen konnte für die Beschäftigten auf den Baustellen für die WM-Endrunde in Katar 2022 bisher keine Verbesserung erreicht werden. Dort arbeiten Menschen in brütender Hitze im wahrsten Sinn des Wortes bis zum Umfallen - alleine 382 Arbeiter aus Nepal sollen dabei umgekommen sein. Das Emirat muss saubere Baustellen garantieren. Tut es das nicht, sind weitere Todesfälle nicht ausgeschlossen.
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