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Im Gestrüpp der Beziehungen
Im Kino: »Le passé - Das Vergangene« von Berlinale-Gewinner Asghar Farhadi
Zu Beginn kommt einer am Flughafen an - und wird bereits sehnsüchtig erwartet. Während er (Ali Mosaffa) auf seinen Koffer wartet, macht sie (Bérénice Béjo) ihm von der anderen Seite einer trennenden Glasscheibe erste Zeichen. Sie verstehen sich, wortlos, trotz der Barriere. Es ist vorsichtige Erwartung in ihren Gesichtern, die Freude des Wiedersehens - und ein leichtes Zögern. Ist die Trennwand einmal weg, wird es schwieriger werden mit ihrer Kommunikation, die Zusammenhänge komplexer, der Ballast der Vergangenheit in allen gegenwärtigen Worten und Taten spürbar.
Erst mal aber kommen sie noch recht einvernehmlich an im etwas schäbigen, verwohnten, dabei nicht ungemütlichen Häuschen mit Garten, in dem die Frau mit ihren Töchtern an einem französischen Stadtrand lebt. Die sind begeistert, den Ankömmling wiederzusehen. Skeptisch ist nur der wuschelköpfige kleine Junge (und beste Freund der jüngeren Tochter), der neuerdings irgendwie mit dazugehört zu dieser Patchwork-Familie. Denn der Ankömmling ist der Noch-Ehemann der Frau des Hauses, die Töchter schätzen ihn als ihren langjährigen Stiefvater, und der verlustgeschädigte, besitzergreifende, dabei sehr charmante Trotzkopf von Jüngstem ist der Sohn jenes Mannes, den die Frau des Hauses nach erfolgter Scheidung heiraten möchte.
Noch-Ehemann Ahmad kehrt aus Iran zurück, ein Land, von dem er sich nicht lösen mochte. Dass die Ehe möglicherweise auch daran scheiterte, dass sie nicht mitgehen und sich und ihre Töchter unter Kopftuch und Mantel verstecken mochte, wird nie an die große Glocke gehängt. Dass ihr Neuer, Samir (Tahar Rahim), Palästinenser ist und ebenfalls noch verheiratet, dass der Vater ihrer Töchter längst mit neuer Familie wieder in Belgien lebt, dass sie es sich offenbar nie einfach macht bei der Wahl ihrer Partner, ist schon eher Thema.
Asghar Farhadi ist der Autor und Regisseur von »Le passé - Das Vergangene«, und es ist sein erster Film außerhalb Irans. Eine andere Scheidungsgeschichte machte ihn weltberühmt: »Nader und Simin - eine Trennung« gewann 2011 den Goldenen Bären der Berlinale (und auch gleich alle Schauspielerpreise für das Ensemble) und 2012 in den USA dann auch noch Golden Globe und Auslands-Oscar - als offizielle Einreichung Irans, obwohl der brillant geschriebene Film die sozialen und religiösen Sollbruchstellen des Landes mit einem gnadenlos hellen Licht beleuchtete. Inzwischen aber verbringt der Regisseur viel Zeit in Frankreich.
Deshalb könnte man die stockende Erzählhaltung seines jüngsten Werks für eine Folge des Drehens in einer anderen als seiner Muttersprache halten. Das Tempo scheint irgendwann nicht mehr zu stimmen, und auf jeden Schritt voran, den die handelnden Personen im Hinblick auf eine rechtliche und emotionale Klärung ihrer Beziehungen mit- und zueinander machen, folgen drei Schritte zurück - und zwei in eine ganz neue, unerwartete Richtung.
Da soll der Ehemann, der eigentlich zum Vollzug einer Scheidung anreiste, die ganz offenbar nicht seine Idee war, nebenbei auch noch das zunehmend schwierige Verhältnis zwischen Mutter und älterer Tochter klären. Denn die zickt rum wie der sprichwörtliche Teenager.
Kaum scheint der Anlass dafür geklärt, erweist sich alles noch einmal als ganz anders. Aber auch die zweite Erklärung ist nicht die endgültige. Schuld und Verstrickung von melodramatischen Ausmaßen, Taten mit Folgen, die niemand herbeiführen wollte, kommen aus der jüngeren Vergangenheit zum Vorschein, ohne dass der ruhige Oberflächenton der Erzählung je ganz aufgegeben würde. Alles gerade noch plausibel, alles Teil eines ganz normalen Lebens in einer freizügigen, globalisierten Welt, in der der Einzelne mit den neuen Freiheiten nicht unbedingt immer gut zurechtkommt. Und alles ziemlich weit weg von Iran.
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