Unangefochten Vater
Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte außerehelicher Kinder nichtdeutscher Mütter
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat das Gesetz zur behördlichen Anfechtung von Vaterschaften aus dem Jahre 2008 für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben. Dieses Gesetz stelle binationale, nichtehelich geborene Kinder unter Generalverdacht des Betruges. Zudem verletze es das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht und das Elternrecht, hieß es in der Urteilsbegründung.
Das Gesetz hatte die damalige Große Koalition erlassen, um missbräuchlichen Anerkennungen von Vaterschaften einen Riegel vorzuschieben. Beispiel: Eine Frau ohne Aufenthaltstitel bekommt ein Kind von einem deutschen Mann. Mit der Geburt erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Mutter bekommt als Sorgeberechtigte eines deutschen Staatsbürgers ein Aufenthaltsrecht.
Nach Überzeugung des Gesetzgebers wurden viele solcher Vaterschaften missbräuchlich anerkannt, um der nichtdeutschen Mutter ein Aufenthaltsrecht zukommen zu lassen. Viele Mütter sollen nach Überzeugung des Gesetzgebers für solche Vaterschaftsanerkennungen viel Geld gezahlt haben und die einkommensschwachen Väter hätten nicht zum Unterhalt des Kindes hinzugezogen werden können.
Mit dem Gesetz konnten Ausländerbehörden, Standesämter und Jugendämter Vaterschaften anfechten. Der Aufwand war hoch, denn sie mussten nachweisen, dass weder der Mann biologischer Vater ist noch eine soziale Vaterschaft bestand. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte mit dem Richterspruch Bedenken des Familiengerichtes Hamburg-Altona, das die Karlsruher Richter 2010 um eine Prüfung des umstrittenen Gesetzes gebeten hatte.
Artikel 16 des Grundgesetzes schütze vor einer Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit, betonten die Richter. Dieser Schutz gelte auch für Kinder. Das Gesetz sei ein gravierender Eingriff in die Grundrechte von Kindern, die an dem ganzen Prozedere unschuldig seien. Zudem werde im Falle einer Ausbürgerung Staatenlosigkeit von Kindern hingenommen. »Wir haben bereits 2008 das Gesetz als verfassungswidrig kritisiert«, erklärt die migrationspolitische Sprecherin der LINKEN, Sevim Dagdelen. »Es war nicht nur unverhältnismäßig, sondern ließ das Kindeswohl vollkommen außer Acht. Nach wie vor bestimmt der gefährliche Generalverdacht des aufenthaltsrechtlichen Missbrauchs gegen Migranten die Migrationspolitik der Bundesregierung.«
Auch der Verband binationaler Familien und Partnerschaften sieht seine ursprüngliche Rechtsauffassung bestätigt. »Es geht nicht, binationale Partnerschaften unter Generalverdacht zu stellen«, sagt Geschäftsführerin Hiltrud Stöcker-Zafari dem »nd«.
Die Berliner Rechtsanwältin Petra Schlagenhauf, die mehrere von Vaterschaftsanfechtungen betroffene Familien vertritt, fordert, laufende Verfahren sofort einzustellen und angefochtene Vaterschaften wiederherzustellen.
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