Werbung

Steuerhinterziehung: Linke will Freikauf-Privileg stoppen

Fälle Schwarzer und Schmitz: Höhn will Debatte über Aus für strafbefreiende Selbstanzeige / Grüne für Neuregelung

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, hat sich für die Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige von Steuerbetrügern ausgesprochen. Vor dem Hintergrund von neuerlichen Berichten über prominente Steuerhinterzieher sagte Höhn, es könne nun »eine lohnenswerte Debatte« sein, ob das Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige »noch zeitgemäß ist«. Es handele sich um ein »Privileg von Vermögenden«, so Höhn, die sich damit »aus einer schweren Straftat freikaufen« könnten. Er plädiere daher dafür, von diesem Instrument abzurücken.

Dagegen hat sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt für eine Neuregelung unter Beibehaltung der umstrittenen Regelung ausgesprochen. »Bei reuigen Bagatellsündern ist Straffreiheit sinnvoll«, sagte die Politikerin. »Bei Steuerbetrug in großem Stil oder Wiederholungstaten kann man jedoch nicht einfach beide Augen zu drücken«, so Göring-Eckardt gegenüber der »Bild«-Zeitung.

Bei Steuerhinterziehung drohen Haftstrafen von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen können es bis zu zehn Jahre sein. Für die Aufdeckung und Verfolgung von Steuerstraftaten sind die Länder zuständig. In Deutschland kann eine Bestrafung durch eine Selbstanzeige vermieden werden.

Wer sich selbst anzeigt, bleibt aber nur dann straffrei, wenn die Behörden von dem Fall bis zu diesem Zeitpunkt nichts wussten. Bis dahin räumt das Gesetz die Möglichkeit ein, dem Finanzamt die nicht-erklärten Einkünfte nachzumelden. Dann aber vollständig. Wird bereits ermittelt, ist der Zug für den Steuersünder abgefahren.

Bei einer Selbstanzeige bleiben nach dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz von 2011 nur noch Hinterziehungsbeträge bis 50 000 Euro pro Vorgang straffrei. Bei bis zu 100 000 Euro kann von einer Strafe dann abgesehen werden, wenn der Betroffene neben den Verzugszinsen von 0,5 Prozent pro Monat einen Zuschlag von fünf Prozent auf die hinterzogenen Steuern zahlt.

Der CDU-Finanzexperte Norbert Barthle sagte, man brauche »die Selbstanzeige so lange es Steueroasen gibt. Nur so kommt der Staat an das ihm zustehende Steuergeld.« Auch der Präsident der Bundessteuerberaterkammer, Horst Vinken, verteidigte das Instrument der Selbstanzeige. »Die Selbstanzeige ist sinnvoll und legitim«, sagte er. Der Staat habe oft nicht das Personal, um komplexe Fälle aufzudecken, wie es durch eine Selbstanzeige geschieht. »Zudem wird der Steuerpflichtige so in die Steuerehrlichkeit zurückgeführt. Die offenbarten Konten sind von da an nicht mehr schwarz. Auch erleidet der Staat durch die Selbstanzeige keinen finanziellen Schaden, der Steuersünder muss Steuerschuld und Zinsen nachzahlen.«

Ebenso sprach sich Steuerzahlerbund-Präsident Reiner Holznagel dafür aus, die Regelung beizubehalten: »Um in die Steuerehrlichkeit zurückzufinden, ist die strafbefreiende Selbstanzeige richtig und sinnvoll. Es ist die einfachste und effektivste Form für den Staat, an hinterzogene Steuern heranzukommen.« Holznagel kritisierte zugleich die Veröffentlichung der zurückliegenden Steuerhinterziehung durch die Publizistin Schwarzer als falsch und fatal. »Frau Schwarzer hat das legitime Instrument der strafbefreienden Selbstanzeige genutzt und damit den Weg in die Steuerehrlichkeit gefunden«, so Holznagel gegenüber »Handelsblatt Online«.

Derweil kommen auch aus der SPD kritischere Töne. Man wolle »die strafbefreiende Selbstanzeige überprüfen und gegebenenfalls ändern«, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Die Fälle Alice Schwarzer und André Schmitz zeigten erneut, »dass wir die Steuerfahndung dringend intensivieren müssen«, so der Sozialdemokrat gegenüber »Spiegel online«. Man sollte »massiv gegen Steueroasen vorgehen. Sie sind eine akute Bedrohung für Demokratien, die darauf angewiesen sind, ihr Gemeinwesen mit Steuern zu finanzieren«, so Oppermann.

Auch der SPD-Finanzexperte Joachim Poß forderte, die strafbefreiende Selbstanzeige zu streichen, »weil sie Steuerhinterziehung gegenüber anderen Straftaten privilegiert«. SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil sagte: »Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Wir müssen darüber reden, ob die strafbefreiende Selbstanzeige noch zeitgemäß ist.« dpa/nd

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!