Wie im Bilderbuch
Maria Höfl-Riesch gewinnt Olympiagold in der Superkombination und geht nun befreit in die nächsten Rennen
Maria Höfl-Riesch jubelte nicht gerade extrovertiert, als ihre Kontrahentin Julia Mancuso über die Ziellinie fuhr und der eigene Sieg feststand. Fast hätte man denken können, die US-Amerikanerin hätte gerade Gold in der Superkombination gewonnen und nicht die Frau aus Garmisch-Partenkirchen, die einfach nur ihre Ski fallen ließ, kurz die Arme hob und dann in den Schnee sank. Sie umschrieb es später in unzähligen MInterviews immer wieder»Dass ich es auf den Punkt genau geschafft habe, ließ eine unglaubliche Last von mir abfallen.«
Mag so mancher Sportpsychologe das Gerede vom Druck nicht mehr hören wollen, so gut wie jeder Spitzensportler scheint ihn indes zu spüren. Maria Höfl-Riesch ist eine, die damit umgehen kann - vor allem dann, wenn er am größten wird. Am Montag gewann sie wie schon vier Jahre zuvor in Vancouver Gold in der alpinen Superkombination. Insgesamt war es nach dem Slalomsieg 2010 die dritte Goldmedaille für Höfl-Riesch und die zweite der deutschen Mannschaft in Sotschi.
»Erleichterung ist nicht das richtige Wort für das, was ich fühle. Es ist eher die zehnfache Steigerung von Erleichterung«, tat sie sich schwer, jene Last in Worte zu fassen. Extrem nervös sei sie am Start des Slaloms gewesen, denn bislang klappte nicht alles nach Wunsch auf den Strecken von Rosa Chutor. »Ich hatte erwartet, dass die Abfahrt mir entgegen kommt, aber im Training lief es nicht. Es war heute ein bisschen besser, aber immer noch nicht wirklich gut«, sagte Höfl-Riesch.
Mit dem fünften Platz und einem Rückstand von gut einer Sekunde auf Mancuso war sie zwar zufrieden nach den schwachen Trainingsleistungen. »Ich habe aber gewusst: Ich brauche einen guten Slalomlauf, um überhaupt eine Medaille zu gewinnen.« Den zeigte sie mit der drittbesten Zeit, die letztlich zu Gold vor Nicole Hosp aus Österreich und Mancuso ausreichte.
Nicht nur die Schwierigkeiten in der Abfahrt hatten die 29-Jährige zweifeln lassen. Der Slalomhang kam ihr angeblich ob des steilen Starts nicht entgegen. »Außerdem wusste ich, dass ich die Topfavoritin bin. Genau dann ist die Gefahr besonders groß, dass man die Leistung nicht ins Ziel bringt. Im Starthaus habe ich also versucht, alles auszublenden, an keine Medaille mehr zu denken«, beschrieb sie ihre Strategie, die sie letztlich doch nicht ganz durchhielt. »Ich dachte doch noch mal an Vancouver und die Weltmeisterschaften in Val d›Isère 2009 und Schladming 2013, als ich auch immer großen Druck hatte. Dann sagte ich mir: ›Schlimmer ist es doch jetzt auch nicht. Fahr einfach drauf los!‹ Das war die Zauberformel.« Manchmal kann Skifahren so einfach sein.
Dass sie noch am Freitag die deutsche Fahne ins Olympiastadion getragen hatte, sei dabei kein Stress gewesen, sondern ein Riesenerlebnis: »Und das Bilderbuchmärchen, das ich mir erhofft hatte, ist jetzt wirklich eingetreten.«
Auch Wolfgang Maier, Sportdirektor des Deutschen Skiverbands (DSV), zeigte sich beeindruckt von der Nervenstärke seiner Vorzeigeathletin. »Dass sie den Druck immer bei Großereignissen irgendwie wegsteckt, überrascht mich auch.« Für ihn ist der Sieg besonders viel wert, denn das DSV-Alpinteam ist in Sotschi kleiner als gewöhnlich. Umso wichtiger, dass es offenbar Schlagkraft hat, denn immerhin sind drei bis vier Medaillen als Ziel mit dem Deutschen Olympischen Sportbund vereinbart worden. Höfl-Riesch selbst und Felix Neureuther können die Vorgaben am ehesten erfüllen.
»In der Abfahrt hatte ich mir nach den guten Leistungen in dieser Saison eine Medaille vorgenommen, aber ich muss am Mittwoch noch besser fahren«, sagte die Gesamtweltcupführende vorausblickend. »Ich habe aber vorher gesagt, wenn die Superkombination gut losgeht, ist das der perfekte Start, denn nun ist der Druck weg. Jetzt habe ich den Rücken frei.« Auch Sportdirektor Maier glaubt, dass Höfl-Riesch nun entspannt die nächsten Rennen angehen werde: »Egal, was noch kommt, sie fährt als Olympiasiegerin nach Hause. Jetzt kann sie Spaß haben, an dem was sie so gern tut.« Schade, dass Spaß zu haben bei Olympia eine so schwierige Sache zu sein scheint.
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