Trauer zeigen bald erlaubt?
IOC-Präsident Bach spricht sich für eine Regeländerung nach dem Streit um den Trauerflor der Norwegerinnen aus
Astrid Jacobsen ließ sich nichts anmerken. Souverän sprintete die Langläuferin am Dienstag erst ins Finale und dann auf Platz vier. Gold und Silber holten ihre beiden Teamkolleginnen Maiken Caspersen Falla und Ingvild Flugstad Östberg - ein starkes Signal der Norwegerinnen, bedenkt man die Aufregung der letzten Tage.
Norwegens Langläuferinnen trauern um Jacobsens Bruder, dessen Todesnachricht das Team am Freitag schockierte. Anders als beim Skiathlon am Samstag trug im Sprintwettbewerb am Dienstag aber keine der Norwegerinnen eine schwarze Armbinde. Schließlich war die Ansage des IOC unmissverständlich: Öffentlich Trauer ist bei Olympischen Spielen untersagt.
IOC-Sprecher Mark Adams hatte die Rüge für die norwegischen Langläuferinnen damit gerechtfertigt, dass die Wettkämpfe nicht »der richtige Ort« seien, um Trauer auszudrücken. Öffentliche Anteilnahmen würden nicht im Einklang mit der olympischen Charta stehen, nach der bei den Spielen »jede Demonstration oder politische, religiöse oder rassistische Propaganda« verboten ist.
Vielleicht klang in Thomas Bachs Ohren noch diese wenig rücksichtsvolle Begründung nach, als er einen Tag vor dem Sprintfinale mit der Generalsekretärin des norwegischen Sportverbandes Inge Andersen zusammentraf.
Nicht nur im norwegischen Team sorgte diese Reaktion des IOC für Wut und Entsetzen. Andersen forderte vom IOC, das Thema auf »höchster Ebene« anzusprechen. Bach musste schnell reagieren, um dem in der Öffentlichkeit entstandenen Bild eines herzlosen olympischen Komitees etwas entgegenzusetzen. Die norwegischen Tageszeitung Aftenposten berichtete, dass Bach offenbar dazu bereit sei, im IOC über eine Änderung der Olympischen Charta zu verhandeln. Am Ende könnte ein menschlicheres olympisches Regelwerk stehen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.