Vorliebe für mehrgleisigen Betrieb
Streit in Leipziger Verkehrsunternehmen um einheitlichen Betriebsrat
Die Wahltermine stehen bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB): Mitte März sollen die Beschäftigten des städtischen Unternehmens neue Betriebsräte wählen. Dass diese danach ungestört arbeiten können, ist aber nicht abzusehen: Klagen sind wahrscheinlich. Schließlich wird im Betrieb derzeit gestritten, ob einer oder drei Räte zu wählen sind - sogar vor dem Arbeitsgericht. Eine gütliche Einigung scheiterte dort am Dienstag.
Bisher gibt es in dem Unternehmen drei Betriebsräte, je einen für die LVB mit ihren rund 870 Mitarbeitern sowie für zwei Töchter: die Leipziger Stadtverkehrsbetriebe (LSVB) und die LeoBus GmbH. In die LSVB mit 687 Mitarbeitern war 2002 der Fahrbetrieb ausgegliedert worden. 2005 gab es eine weitere Abspaltung: Der Busbetrieb ging an die LeoBus GmbH mit heute 536 Beschäftigten über. Hintergrund war die Angst vor EU-Vorschriften, die den Betrieb aller Sparten durch ein einziges Unternehmen nicht zuzulassen drohten. Zudem wollte das Unternehmen sparen: Die Mitarbeiter der Töchter erhalten bisher niedrigere Löhne.
Im Zuge der Filetierung des Unternehmens wurde auch der Betriebsrat zerlegt; es entstanden drei Gremien - eine Entwicklung, die gemeinhin als Schwächung der Interessenvertretung gilt. Inzwischen freilich versteht sich die LVB wieder stärker als einheitliches Unternehmen. Grund ist vor allem, dass die Verschärfung der EU-Regularien ausblieb. Auch die Gehaltsunterschiede sollen verschwinden. Ein Tarifvertrag vom September sieht für LeoBus die Anhebung auf das branchenübliche Niveau vor - wenn auch erst bis 2022.
Auch die Interessenvertretung könnte wieder gebündelt werden: Das Unternehmen sei eine »einheitliche betriebsratsfähige Einheit«, heißt es im Antrag, den das Arbeitsgericht gestern verhandelte. Der LVB-Betriebsrat sieht das ähnlich: Er hat am 3. Februar alle Beschäftigten zur Neuwahl aufgerufen. Die Betriebsräte von LSVB und LeoBus wehren sich. Sie gehen weiter von einem »getrennten Betrieb« aus, weshalb sie Wahlen für eigenständige Räte angesetzt haben. Vor Gericht wurde über Abläufe auf Betriebshöfen, die Dienstplanung oder die Befugnisse der Personalabteilung gestritten - jeweils um zu zeigen, ob es sich um einen oder drei Betriebe handelt.
Bei der Gewerkschaft ver.di, deren Vertreter in allen drei Räten dominieren, sorgt der Konflikt für Kopfzerbrechen. Einerseits kann man Sorgen in den Tochterfirmen verstehen, eigene Belange schlechter vertreten zu können. Zugleich sieht man die Chance, Betriebsräte aus der »Diaspora« zurückzuholen. Gütlich lässt sich der Streit derzeit nicht lösen. Das Gericht will am 27. März verhandeln. Ein Motiv für das Festhalten an der Fragmentierung benannte gestern derweil einer der Anwälte: »Von jetzt 30 Betriebsräten blieben nur 20.« Zehn Vertreter wären ihren Posten los.
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