Vorfreude aufs erste schwul-lesbische Sportfestival
In Moskau werden genau in der Pause zwischen Olympia und Paralympischen Spielen von Sotschi die ersten Open Games ausgetragen
Konstantin Jablozki wollte nach Frankreich auswandern und offen schwul leben. Er machte Station in Köln, wo 2010 die Gay Games stattfanden, die schwul-lesbischen Weltspiele. Der Eiskunstläufer gewann Gold, wurde gefeiert, vielfach interviewt. Die Nachricht sprach sich herum, irgendwann standen Reporter vor dem Haus seiner Eltern in Archangelsk, im Norden Russlands. »Ich hatte mein Coming-out zur besten Sendezeit im Staatsfernsehen«, sagt der junge Chemielehrer. Familie und Kollegen hielten zu ihm. Jablozki entschied sich, in Moskau zu bleiben - er ging in die Offensive.
Am 26. Februar, in der Ruhephase zwischen Olympia und Paralympics in Sotschi, sollen in Moskau die Open Games beginnen, das erste schwullesbische Sportfestival in Russland, mit 500 Teilnehmern. An fünf Tagen planen Jablozki und seine Mitstreiter Wettbewerbe in neun Sportarten. »Wir möchten Solidarität fördern.« Jablozki wägt seine Worte ab, die Open Games können noch abgesagt werden oder kleiner ausfallen. Seit der verschärften Gesetzgebung gegen Homosexuelle versuchen die Organisatoren, auf jeden Widerstand vorbereitet zu sein.
Anfang der siebziger Jahre wurde in den USA der erste homosexuelle Sportverbund gegründet, eine nach der Schauspielerin Judy Garland benannte Bowling-Liga. Doch in Russland fanden sich erst Ende der neunziger Jahre lesbische Volleyballerinen und Basketballerinenn zusammen, die selbstbewusst ihren Sport betreiben wollten. Vor allem in St. Petersburg aber auch in anderen Städten wurden Freizeitteams gegründet. Sie mieteten abgelegene Sporthallen und selten genutzte Räume, manchmal unter falschem Vorwand. Einige reisten zu Wettkämpfen nach Westeuropa oder in die USA. An den Gay Games 2010 nahmen aus Russland 52 Lesben und Schwule teil. Die meisten kannten sich nicht, denn sie hatten sich niemandem anvertrauen wollen. Mit neuer Inspiration kehrten sie zurück und gründeten die russische LGBT-Sportföderation, für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle.
Der Verband ist beim russischen Sportministerium registriert, eine Förderung indes hat er nie erhalten. Verbandschef Jablozki ist auf Spenden und Teilnahmegebühren aus dem Ausland angewiesen. Zu den wenigen Sponsoren zählen drei homosexuelle Olympia-Athleten, sie wollen anonym bleiben. Der LGBT-Verband hat fünfzig Wettkämpfe organisiert für 900 Mitglieder, drei Viertel stammen aus Moskau und St. Petersburg.
Konstantin Jablozki und seine Mitstreiter möchten während der Open Games Aufklärungsarbeit leisten. Aber wie sollen sie als offenes Forum funktionieren, wenn schon das Zeigen von Regenbogenflaggen eine Strafe nach sich ziehen kann? »Wir müssen vorsichtig sein«, sagt die Tänzerin Alexandra Tschekalina. »Zuschauer müssen sich auf unserer Internetseite anmelden.« Zuletzt hat der Verband viele Absagen von Teilnehmern aus dem Ausland erhalten, die Diskriminierungen haben sich herum gesprochen. Eine russische Badmintonspielerin hat ihren Job in einer Werbeagentur verloren, nachdem Fotos von ihr bei einem Wettkampf in Rotterdam aufgetaucht waren.
Zweimal wurden schwul-lesbische Teams in Moskau von städtischen Sportplätzen geworfen. Die Open Games sollen ausschließlich in Hallen und Räumen stattfinden, nicht unter freiem Himmel. »Wir haben Sicherheitsordner engagiert«, sagt Alexandra Tschekalina. »Jeder soll sich wohlfühlen können.«
Die schwul-lesbische Sportbewegung hat mittlerweile einige wichtige Ziele erreicht. Bei den Olympischen Spielen in Vancouver 2010 und London 2012 wurden Pride-Häuser geöffnet, Treffpunkte für homosexuelle Fans und Athleten. In London hatte das Organisationskomitee eine Verpflichtung zur Vielfalt in seine Bewerbung aufgenommen. Die südafrikanische Bogenschützin Karen Hultzer nutzte die Atmosphäre für ein öffentliches Coming-out.
In Sotschi wurde ein Pride House untersagt. Laut Internetportal »Outsports« leben von den 2900 Olympia-Athleten nur sechs offen homosexuell, die bekannteste ist die niederländische Eisschnellläuferin Ireen Wüst, ein Mann ist nicht darunter. Die schwul-lesbische Gemeinschaft hat Konzepte entwickelt, um abseits der großen Bühnen Begegnungen zu ermöglichen. Für die Gay Games 2002 in Sydney richtete sich ein Stipendiaten-Programm an australische Ureinwohner, die homosexuell sind. Vereine in Frankfurt oder Düsseldorf unterstützen Sportler aus Osteuropa.
Konstantin Jablozki will in Sotschi Werbung für die Open Games machen, ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Er sucht Botschafter. Bislang hat nur die niederländische Sportministerin Edith Schippers ihr Kommen in Aussicht gestellt. Fünf Nichtregierungsorganisationen engagieren sich in Russland für die Akzeptanz von Homosexuellen. Sie stehen stärker unter Beobachtung als die LGBT-Sportföderation. »Wir sind keine Menschenrechtsorganisation«, sagt Jablozki. »Wir werben für eine sportliche, gesunde Lebensweise.« In der Olympischen Charta gilt auch Sport als Menschenrecht.
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