Eine Straße für Edith Kiss
Passage nach Zwangsarbeiterin benannt / Initiative will East Side Gallery »Am Todesstreifen«
Eigentlich hatte sich Mercedes Benz die ganze Sache anders vorgestellt. Der neuen Straße am Haupteingang ihrer Vertriebszentrale in Friedrichshain-Kreuzberg hätte der Name Bertha Benz, der Frau des Firmengründers Carl Benz, besser gestanden, befand der Konzern noch in der Namensfindungsphase. Oder wenigstens wie Mercédès Jellinek, Namenspatin des gleichnamigen Automobils, hätte die Straße doch heißen können. Doch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV), zuständig für die Namensgebung, fand beide Vorschläge unangemessen und so schlug die Piratenfraktion schließlich die ungarische Bildhauerin Edith Kiss vor und fand dafür eine Mehrheit in der BVV. Bis auf die CDU stimmten alle Fraktionen für Kiss. Die Budapester Jüdin war im Oktober 1944 ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert worden, und von dort in die Daimler-Benz-Werke, wo sie für die Daimler-Benz-GmbH Genshagen Zwangsarbeit leisten und Flugzeugmotoren montierte musste.
Zur feierlichen Eröffnung der neuen Straße hatte die Bezirksstadträtin für Finanzen, Kultur- und Weiterbildung, Jana Borkamp (Grüne), geladen. Bis zum 13. März wird außerdem eine Ausstellung mit Kiss’ Werken in der Konzernzentrale von Daimler zu sehen sein.
Wenn es nach der Initiative »Mediaspree Versenken« ginge, würde Mercedes bald von neuen Straßennamen geradezu umzingelt. Die Namensfeier an der Daimlerzentrale nahmen die Organisatoren zum Anlass, selbst eine Umbenennung anzuregen. Sie wollen, in Abstimmung mit der Piratenpartei, einen Antrag in die BVV einbringen, in dem gefordert wird, dass die angrenzende Mühlenstraße künftig »Am (historischen) Todesstreifen« heißen soll. »Die East Side Gallery ist nicht nur eine bunt bemalte Mauer und als Standort für Investoren attraktiv, sondern sie hat eine wichtige historische Bedeutung«, sagt Robert Muschinski vom Initiativkreis »Mediaspree Versenken«. Der Senat könne das durch seine Baupolitik nicht länger verdrängen. Bei der Piratenfraktion wartet man jetzt darauf, dass die Bürgerinitiative mit einem konkreten Plan auf sie zukommt. Ralf Gerlich, Fraktionssprecher der Piraten in Friedrichshain-Kreuzberg, unterstützt den Antrag, weil »die geplante Bebauung dem Charakter der Straße nicht gerecht wird«, findet er. »Mit der Umbenennung wäre zumindest ein klares Bekenntnis zur Geschichte der Stadt verbunden«, sagt Gerlich.
Laut der Gedenkstätte Berliner Mauer sind zwischen Oberbaumbrücke und dem Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße zwischen 1961 und 1989 insgesamt 18 Menschen ums Leben gekommen, darunter fünf Kinder, die während des Spielens auf West-Berliner Seite in die Spree gefallen waren und ertranken.
Den Antrag will die Initiative bis zur nächsten BVV-Sitzung im März fertigstellen. Außerdem, so argumentiert Muschinksi, wäre die Stadt mit insgesamt sieben Straßen und 52 Orten in Form von Seen, Plätzen und Gartenanlagen, in denen das Wort »Mühlen« vorkommt», reichlich versorgt.
Einige Bedenken hat Ralf Gerlich allerdings noch. Er will, bevor der Antrag in die BVV geht, in seiner Fraktion noch einmal über die Bezeichnung «Todesstreifen» für den gut einen Kilometer langen Straßenzug diskutieren. Für die künftigen Loftbesitzer wäre der Name sicherlich keine attraktive Adresse.
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