Friedrich im Visier der Staatsanwälte

Justiz Berlin prüft Ermittlungen gegen Friedrich in der Edathy-Affäre

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin/Celle. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft den Anfangsverdacht eines Verrats von Dienstgeheimnissen durch den ehemaligen Bundesminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Dies gaben die Generalstaatsanwaltschaften von Berlin und Celle am Dienstag in einer gemeinsamen Erklärung bekannt. Die zuständigen Behördenleiter hätten sich zuvor über die Aufgabenverteilung im weiteren Vorgehen bei der Klärung des Falls Edathy geeinigt, hieß es darin.

Chronologie des Falls Edathy

Wer wusste was und wann im Fall Edathy? Der Fall belastet mittlerweile die Bundesregierung schwer - der frühere Innen- und bisherige Landwirtschaftsminister Hans-Peter Friedrich (CSU) musste nach Vorwürfen des Geheimnisverrats im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen mutmaßlicher Kinderpornografie gegen den früheren SPD-Innenexperten Sebastian Edathy zurücktreten, die CSU wirft der SPD »Geschwätzigkeit« vor und verlangt Aufklärung. Der Fall Edathy reicht bis ins Jahr 2010 zurück, die Vorwürfe gegen Friedrich nahmen ihren Ausgang im vergangenen Herbst.

2010:
Die Behörden in Kanada nehmen einen weltweiten Internet-Anbieter von Kinderpornografie ins Visier.

2012:
Laut Staatsanwaltschaft Hannover erfährt das Bundeskriminalamt (BKA), dass zu den Kunden des kriminellen Unternehmens rund 800 Deutsche gehören. Nach heutigem Erkenntnisstand der Staatsanwaltschaft soll Edathy zwischen 2005 und 2010 bei der kanadischen Firma Material bestellt haben, das sich »im Grenzbereich« zur Kinderpornografie befindet.

Oktober 2012:
Das vom BKA weiter betriebene Verfahren im Zusammenhang mit dem Kinderporno-Ring gelangt zur Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.

Oktober 2013:
Die Verfahrensakte Edathy geht an die Generalstaatsanwaltschaft Celle. Im selben Monat informiert der damalige Bundesinnenminister Friedrich den SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, dass Edathys Name im Zusammenhang mit ausländischen Ermittlungen aufgetaucht sei. Die Öffentlichkeit erfährt von dem Gespräch zwischen Friedrich und Gabriel am Donnerstag dieser Woche durch eine Erklärung von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

5. November 2013:
Der Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, erhält nach eigenen Angaben die Edathy-Akte. Sie wird als Verschlusssache behandelt.

Mitte November 2013:
Die kanadische Polizei geht an die Öffentlichkeit und teilt mit, dass sie einen weltweiten Kinderpornografie-Ring zerschlagen hat. Edathy reagiert nach eigenen Angaben auf diese Presseberichte und bittet seinen Anwalt um Beratung.

28. November 2013:
Der Anwalt Edathys bittet die Staatsanwaltschaft in Hannover nach deren Angaben zunächst vergeblich um ein vertrauliches Gespräch.

22. Januar 2014:
Laut Staatsanwaltschaft Hannover sagt Edathys Anwalt bei einem Gespräch, sein Mandant habe gerüchteweise gehört, dass gegen ihn ermittelt werde. Zugleich versichert der Anwalt demnach, die fraglichen Filme seien nicht pornografisch gewesen.

28. Januar:
Die Staatsanwaltschaft Hannover fasst den Beschluss, ein Ermittlungsverfahren gegen Edathy einzuleiten.

6. Februar:
Die Staatsanwaltschaft unterrichtet Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in einem Schreiben über die Verfahrenseinleitung. Der Brief geht allerdings erst am 12. Februar beim Bundestag ein.

8. Februar:
Edathy teilt der Öffentlichkeit mit, dass er sein Bundestagsmandat niederlegt - »aus gesundheitlichen Gründen«.

10. Februar:
Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt Wohn- und Geschäftsräume Edathys durchsuchen.

13. Februar:
Nachdem Oppermann das Gespräch zwischen Friedrich und Gabriel zum Fall Edathy vom Oktober öffentlich gemacht hat, tritt die Staatsanwaltschaft Berlin auf den Plan: Sie will einen möglichen Verdacht auf Geheimnisverrat prüfen - ohne in diesem Zusammenhang ausdrücklich den Namen von Friedrich zu nennen. In der Opposition werden erste Rufe nach einem Rücktritt des Ministers laut.

14. Februar:
Friedrich erklärt seinen Rücktritt. Der CSU-Politiker beharrt darauf, dass er bei seinem Gespräch mit Gabriel »politisch und rechtlich richtig gehandelt« habe. Gabriel versichert am Abend, weder er noch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) oder Oppermann hätten Informationen über Ermittlungen gegen Edathy an diesen weitergegeben.

15. Februar:
CSU-Chef Horst Seehofer wirft der SPD »Vertrauensbruch« vor, weil Oppermann das Gespräch von Friedrich und Gabriel öffentlich gemacht hat. AFP/nd

Demnach wird die Staatsanwaltschaft Hannover die Ermittlungen gegen den ehemaligen SPD-Bundestagsabgeordneten Sebastian Edathy wegen des Verdachts der Kinderpornographie führen. Die Hannoveraner sollen auch dem Verdacht nachgehen, dass Edathy vor drohenden Ermittlungen gewarnt worden sein könnte.

Die Prüfung eines Anfangsverdachts gegen den im Zuge der Affäre zurückgetretenen Landwirtschaftsminister Friedrich übernehmen die Berliner Staatsanwälte, weil dessen früheres Ressort, das Bundesinnenministerium, in Berlin ansässig ist. Friedrich steht im Verdacht, Dienstgeheimnisse verraten zu haben, als er SPD-Chef Sigmar Gabriel über Verdachtsmomente gegen Edathy informierte. Offizielle Ermittlungen gegen Friedrich würden die Staatsanwälte aber erst einleiten, wenn sich aus dem Anfangsverdacht ein konkreter Tatverdacht ergibt.

Auch die Staatsanwaltschaft Wiesbaden soll zur juristischen Klärung der Affäre aktiv werden: Sie soll prüfen, ob sich der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Jürgen Ziercke, des Verrats von Dienstgeheimnissen schuldig gemacht haben könnte. Hintergrund sind hier Angaben von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, der sich nach eigener Aussage im Herbst telefonisch bei Ziercke über Vorwürfe gegen Edathy erkundigt hatte. Die Wiesbadener Staatsanwälte wollen auch prüfen, ob sich Oppermann durch den Anruf bei Ziercke der Anstiftung zum Geheimnisverrat schuldig gemacht haben könnte. Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.