»Frauensport ist gegen das Gesetz der Natur«

Gibt es Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern bei den olympischen Spielen?

  • Celestine Hassenfratz
  • Lesedauer: 4 Min.

Die vorletzte Festung der Männlichkeit ist gefallen. Eingerissen hat sie eine Frau. Am elften Februar flog die deutsche Skispringerin Carina Vogt in Sotschi 103 und 97,5 Meter weit. Das reichte für olympisches Gold. Und für einen historisch bedeutsamen Erfolg.

Während die Zulassung von Frauen im Skispringen 2010 in Vancouver vom IOC noch abgelehnt wurde, durften in Sotschi erstmals Frauen in dieser Sportart starten. Offiziell genehmigt, scheinen sich jedoch nicht alle mit dieser Änderung anfreunden zu wollen. »Ich bin gegen Frauen-Skispringen. Skispringen ist schwierig und traumatisch. Wenn sich ein Mann verletzt, ist es nicht schlimm. Wenn sich eine Frau verletzt, kann es böse enden.«, sagte Alexander Arefjew, Coach der russischen Skispringer laut NZZ zur olympischen Neuregelung.

Dass er mit seiner Meinung durchaus nicht alleine steht, zeigt ein Blick in die Historie der olympischen Spiele: Die ersten olympischen Spiele in der Antike 776 vor Christus waren Männern vorbehalten. Muskulöse, mit XY-Chromosom ausgestattete Menschen, kämpften ebenbürtig um Ruhm und Ehre. Frauen waren unterdes höchstens auf den Zuschauerrängen geduldet. Auch hatten sie ihre eigenen sportlichen Wettkämpfe - zu Ehren Heras, der Göttin der Frauen - geschichtlich blieben diese jedoch eher unbedeutend.

»Frauensport ist gegen das Gesetz der Natur«

Nachdem der olympische Gedanke rund eineinhalb Jahrtausende in Vergessenheit geraten war, ließ sie Baron Pierre de Coubertin 1896 wieder auf erleben. Die olympischen Spiele der Neuzeit für Männer waren geboren. Denn Coubertin lehnte die Teilnahme von Frauen an den olympischen Wettkämpfen ab. »Frauensport ist gegen das Gesetz der Natur«, soll der Franzose gesagt haben.

Bei den zweiten Olympischen Spielen 1900 durften bereits 17 Frauen teilnehmen. In den Disziplinen Golf, Tennis und Freistil. Was Baron Coubertin dazu gesagt hat, ist nicht überliefert. Seit 1924 gibt es neben den Sommer-auch Olympische Winterspiele. Frauen erkämpften sich mit jeder neuen Olympiade immer mehr Disziplinen. 1984 durften die ersten Frauen den olympischen Marathon bestreiten, 1988 den 10.000 Meter-Lauf, 1996 wurde Frauenfußball olympisch. 2014 nun also Skispringen.

Dennoch, die angebliche Gleichstellung der Geschlechter im Sport trügt. Zwar gibt es nun auch in einigen Disziplinen, wie dem Biathlon oder Rennrodeln, gemischte Teams, die aus Frauen und Männern bestehen. Die meisten Disziplinen jedoch halten nach wie vor an einer strikten Trennung zwischen Frauen und Männern fest. Zum Schutz des schwächeren Geschlechts, das biologisch gesehen einfach Leistungsunterschiede aufweist.

»Auch Frauen können schubsen«

So, oder so ähnlich argumentieren die IOC-Sportfunktionäre. Auch unterscheiden sich die Regelwerke der gleichen Sportarten hinsichtlich Männer- und Frauenmannschaften. Prominentes Beispiel: Eishockey. Der Bodycheck, harter Körpereinsatz, ist bei den Männern regelkonform. Bei Frauen kann er mit Strafzeit geahndet werden. Was das soll, fragte taz-Autorin Svenja Bednarczyk kürzlich und formulierte treffend: »Geregelte Gewalt ist in Ordnung für die Spielerinnen, sonst wären sie Balletttänzerinnen geworden«. Bednarczyk kam zu dem Schluss »Auch Frauen können schubsen«.

Auch die Soziologin der Universität Bielefeld, Marion Müller, ist der Meinung, dass die Aufrechterhaltung der Geschlechterdifferenz im Sport nicht aus Schutzgründen gegenüber den Frauen aufrechterhalten wird. In einem wissenschaftlichen Artikel, in dem sie sich mit der Kategorie »Geschlecht als Leistungsklasse« auseinandersetzt, schreibt Müller: Die Geschlechterdifferenz im Sport lasse sich nicht allein durch den Verweis auf die Leistungsdifferenzen erklären. »Vielmehr scheinen Manifestation und Reproduktion der Geschlechterordnung latente Funktionen des Wettkampfsports zu sein, auf die nicht verzichtet werden kann, ohne Identität und Bedeutung des Sports nachhaltig zu verändern.«

Dient der Sport also dazu, mit allen Mitteln die als gesellschaftlich anerkannte Ordnung in zwei Geschlechter aufrecht zu erhalten? Lässt man den Blick erneut zurück schweifen auf die Historie von Frauen bei Olympischen Spielen wird deutlich, dass sich der gesellschaftliche Blick auf Frauen im Sport verändert. Getrieben von einer gesellschaftlichen Neuordnung der Geschlechterrollen, keimt auch im Sport ein Funken der Gleichberechtigung auf. So bleibt zu hoffen, dass es nicht mehr lange dauert, bis die Nordische Kombination, die Königsdisziplin, nicht mehr nur Männern vorbehalten sein wird.

Dann wird auch die letzte männliche Festung der olympischen Winterspiele eingerissen. Und wie lehrt die Geschichte so schön: Ist der Ski erst einmal ins Rollen gekommen...

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