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Wenn der Bachelor nicht reich ist
Diskussionen um das neue Hochschulgesetz, die Rückmeldegebühr, das Teilzeitstudium
In der Fernsehsendung »Der Bachelor« bemühen sich 22 Frauen würdelos um die Gunst eines reichen Schnösels - des Bachelors -, der sich am Ende seine Favoritin herauspickt. Das ist, grob vereinfacht, das aus dem US-Fernsehen übernommene Konzept. RTL strahlt gegenwärtig eine in Südafrika gedrehte Staffel aus.
In der Regel keineswegs begütert ist dagegen jener Bachelor, um den es im neuen brandenburgischen Hochschulgesetz geht. Er darf auch keine Auswahl treffen, sondern wird selbst ausgewählt - nach drei bis vier Jahren Studium und einem Bachelorabschluss kann er lediglich hoffen, zu ein bis zwei Jahren Masterstudium zugelassen zu werden.
Die Linksjugend solid verlangt einen freien Übergang zum Master für alle Bachelors und ist damit nicht allein. Beispielsweise fordert das auch der Allgemeine Studierenden-Ausschuss (AStA) der Universität Potsdam. Gerade weil das Arbeiterkind und der Durchschnittsstudent kein dickes Bankkonto haben und nebenbei etwas verdienen müssen, sollte ein Teilzeitstudium immer möglich sein, sollte die Zwangsexmatrikulation abgeschafft werden, sollten die 51 Euro Rückmeldegebühr pro Semester künftig nicht mehr verlangt werden. Außerdem sollte eine Zivilklausel die Zusammenarbeit von Hochschulen mit dem Militär und der Rüstungsindustrie untersagen.
AStA und solid sind enttäuscht, weil sie das nicht in dem Gesetzentwurf finden, den das Wissenschaftsministerium im Januar vorlegte. Schon heute schaffen keine 40 Prozent der märkischen Studenten, ihre Ausbildung in der Regelstudienzeit abzuschließen, erklärt AStA-Pressereferentin Marei Frener. Neben einem Verbot von Zwangsexmatrikulationen wäre ein flächendeckend mögliches Teilzeitstudium einer der besten Ansätze zur Lösung sozialer Probleme von Studenten, sagt Frener. Nach derzeitigem Stand ist ein Teilzeitstudium nur in einigen ausgewählten Studienrichtungen möglich und muss jedes Semester oder wenigstens jedes Jahr beantragt werden. Genehmigt wird es etwa, wenn Studenten durch die Pflege von Angehörigen belastet sind. Dass eine Mutter von zwei Kindern vornherein nur halbtags und dafür doppelt so lange studiert, ist nicht vorgesehen.
»Der Entwurf bleibt weit hinter der Beschlusslage der an der Regierung beteiligten Partei die LINKE zurück«, rügt Isabelle Vandré vom Landessprecherrat der Linksjugend. Nachbesserungen seien notwendig. Sonst müssten prekär beschäftigte Lehrbeauftragte und Studierende ohne reiche Eltern die Kosten für das unterfinanzierte Bildungswesen tragen.
»Eine solche Entwicklung wäre einer rot-roten Regierung unwürdig«, bemängelt Vandré, die bei der Wahl am 14. September für den Landtag kandidiert. Bis dahin will die 24-Jährige ihren Bachelorabschluss in Politikwissenschaft in der Tasche haben. Wird sie Abgeordnete - bei Listenplatz neun stehen die Chancen gut - will sie sich zunächst fünf Jahre auf die Parlamentsarbeit konzentrieren und ihren Master später machen. Vandré bezieht sich bei ihren Forderungen auf einen Parteitagsbeschluss von 2012, der auf einen Antrag der Linksjugend zurückging.
»Was richtig ist: Wir haben noch nicht alles erreicht, was die LINKE möchte, weil wir nicht 51 Prozent haben«, bestätigt der Landtagsabgeordnete Peer Jürgens (LINKE). Einiges lasse sich nicht verwirklichen, »weil die SPD und das Wissenschaftsministerium das nicht wollen«. Schade findet Jürgens, dass solid nur kritisiert und nicht auch auf die Erfolge hinweist. So gebe es weitreichende Regelungen zur Gleichstellung von Frauen und einen Ausweg für Studenten, die ihre Universität wechseln, aber nicht alle Leistungsnachweise anerkannt bekommen. Durch Prüfungen können diese Kommilitonen künftig beweisen, in dem jeweiligen Fachgebiet sehr wohl Bescheid zu wissen.
Besser wäre es, wenn jeder Bachelor problemlos seinen Master machen dürfte, bestätigt Jürgens. Immerhin seien aber bereits 2010 einige Hürden gefallen, so dass in den meisten Fällen nur noch das Bachelorzeugnis vorgelegt werden müsse, um zum Master zugelassen zu werden. Lediglich bei 40 Prozent der Studiengänge gebe es noch zusätzliche Beschränkungen wie den Nachweis von Praktika, Tests oder Fremdsprachenkenntnissen, erläutert Jürgens. Vorher sei dies bei 90 Prozent der Studiengänge so gewesen.
Zwangsexmatrikulationen werden zwar nicht abgeschafft, bedauert Jürgens. Doch werde demnächst nicht mehr kurzerhand hinausgeworfen, wer Prüfungen nicht rechtzeitig besteht. Er müsse nur zur Studienberatung, wo besprochen und vereinbart werde, wie der Betroffene das Geforderte in nächster Zeit noch leistet. »Das ist auf jeden Fall für die Studierenden ein großer Fortschritt«, betont der Abgeordnete.
Studiengebühren sind mit dem neuen Gesetz ausgeschlossen. Die umstrittene Rückmeldegebühr von 51 Euro wäre allerdings rechtens. Gleichwohl ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. »An der Rückmeldegebühr sind wir dran«, verspricht Jürgens. »Da wird noch verhandelt.«
Für eine Zivilklausel machte sich Peer Jürgens bislang vergeblich stark. Die jetzt angestrebten Ethikkommissionen hält er jedoch für eine praktikable Variante. Bei einer Zivilklausel sei es Auslegungssache, ob bestimmte Forschungen zulässig sind, sagt er. So habe die Universität Bremen trotz Zivilklausel mit der Bundeswehr kooperiert. In Brandenburg soll nun eine Ethikkommission empfehlen, Forschungsaufträge nicht anzunehmen, wenn es dabei um Aufrüstung, Gentechnik oder Tierversuche geht. »Das geht sogar weiter als eine Zivilklausel«, sagt Jürgens.
Dagegen denkt der AStA der Universität Potsdam: »Mit der nun vorgeschlagenen Ethikkommission versucht das Wissenschaftsministerium, ein Entgegenkommen zu suggerieren. Die Zahnlosigkeit der Kommission wird dabei leider wenig diskutiert.« Immerhin findet wenigstens solid auf Nachfrage doch etwas Gutes am Gesetzentwurf. Dass junge Menschen mit abgeschlossener Berufsausbildung künftig auch ohne Abitur studieren dürfen, begrüßt Sprecherin Isabelle Vandré.
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