Fünf Sterne reichten nicht

Italienischer Exkomiker Grillo zerlegt seine eigene Protestbewegung M5S

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.
Die »Bewegung Fünf Sterne« von Beppe Grillo hat sich gespalten. In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob eine neue Formation der parlamentarischen Linken in Italien entsteht.

Es war eine Sitzung vieler Tränen und wilder Beschimpfungen (»Verräter«, »Faschisten«), die zum Ausschluss von vier italienischen Senatoren aus der Fraktion der Bewegung Fünf Sterne (M5S) geführt hat. Und die weitere Austritte aus Solidarität mit den Geschassten zur Folge haben dürfte. Die Fraktion der Bewegung Fünf Sterne (Movimento 5 Stelle) ist seit Mittwochabend vollends gespalten. Luis Alberto Orellana, Fabrizio Bocchino, Francesco Campanella und Lorenzo Battista seien selbst an ihrer Verbannung schuld, hieß es. Schließlich wagten sie es, den »Guru« der Bewegung - den ehemaligen Kabarettisten Beppe Grillo - öffentlich zu kritisieren.

Grillo war vom Chef der Demokraten (PD), Matteo Renzi, vor der Bildung der neuen Regierung zu einem Gespräch eingeladen worden. Er ließ den designierten Ministerpräsidenten allerdings überhaupt nicht zu Wort kommen und beschimpfte ihn neun Minuten lang wild. Dann verließ er den Raum. Das Ganze wurde, wie es die M5S häufig tut, um ihre »Feinde« bloßzustellen, live im Internet übertragen.

Diesmal ging der Schuss allerdings nach hinten los: Vier Senatoren erklärten, sie seien mit solch einem Vorgehen nicht einverstanden und würden von ihrem Vorsitzenden erwarten, dass er sich mit den Argumenten der Gegenseite offen auseinandersetzt. Grillo war sofort für den Rausschmiss der »Dissidenten«, während sich die Fraktion in einer dramatischen Sitzung spaltete. Gleichzeitig sprach sich in einem Online-Referendum, an dem nur die Mitglieder der ersten Stunde teilnehmen durften, die Mehrheit ebenfalls für den Rauswurf aus: 36.000 Stimmen gegen 13.000.

Die Reaktion des einstigen Medienstars Grillo war eindeutig: »Ich freue mich, wenn sie gehen. Die waren ja sowieso nur wegen der Diäten bei uns. Jetzt sind wir weniger, aber dafür auch alle einer Meinung.« Immer mehr hatte er die vom ihm ins Leben gerufene Bewegung eher wie eine Sekte denn wie eine politische Gruppe geführt.

Sofort nach dem Votum hat die Spaltung, die schon seit Längerem in der Luft lag, breitere Kreise gezogen. Immer mehr Parlamentarier denken daran, ihre Fraktionen in der Abgeordnetenkammer und im Senat zu verlassen. Sie alle werfen Beppe Grillo mangelnde Demokratie vor. So erklärte Senator Francesco Campanella: »Der Traum einer Bewegung von Gleichen ist vorbei. Hier wird immer klarer, wer die Entscheidungen trifft und wer nur einfach gehorchen soll. Sobald es um wichtige Fragen geht, entscheidet Grillo, ohne sich mit den Abgeordneten abzusprechen.« Wie viele Parlamentarier die Bewegung am Ende verlassen werden, weiß er nicht zu sagen. »Das ist immer eine sehr schwierige und eine sehr persönliche Entscheidung. Ich weiß nur, dass viele meiner Kollegen darüber nachdenken«, sagte Campanella, der sich nun vorstellen kann, die »Bewegung Sechs Sterne« zu gründen. Der neue Stern soll für »echte Demokratie« stehen.

Die Gruppierung M5S, die bei den Wahlen im Februar 2013 stolze 25 Prozent der Stimmen erhielt - fast genauso viele wie die PD und das damalige »Volk der Freiheit« Silvio Berlusconis - hatte in den letzten Monaten schon mehrere Parlamentarier verloren. Jetzt zeichnet sich aber zum ersten Mal eine regelrechte Spaltung ab, die auch zahlenmäßig relevant werden kann. Ganz offen spricht das Pippo Civati aus, der den linken Flügel in der PD (etwa 15 Prozent der Mitglieder) vertritt und der Regierung von Matteo Renzi nur sehr widerwillig und aus Gründen der Parteidisziplin das Vertrauen ausgesprochen hat. »Jetzt gäbe es im Parlament die Möglichkeit, eine Mitte-Links-Mehrheit zu bilden. In meiner Partei aber tun alle so, als sei das nicht der Fall. Und das nur, um die Koalition mit der Neue Rechten Mitte von Angelino Alfano am Leben zu erhalten.«

Civati dementiert aber, dass er aus seiner Partei austreten und mit den »Dissidenten« der M5S und der linken Partei SEL (Linke, Ökologie und Freiheit) eine neue Formation bilden will. »Ich denke da an andere Organisationsformen«, sagt er. Und wiederholt: »Heute ist eine andere, eine linke Mehrheit möglich. Das ist ein Fakt. Und daran muss man jetzt arbeiten.«

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