Durch Tschernobyl schon vor Geburt geschädigt
Oxana Masters fand in den USA eine neue Heimat und zum Sport. Sie gewann schon zwei paralympische Medaillen
Sie trägt gerne High-Heels, obwohl sie keine Beine hat. Sie posiert nackt für ein Hochglanzmagazin, entspricht aber nicht dem gängigen Schönheitsideal. Sie wuchs neben der Atomruine von Tschernobyl auf und nennt ihre Prothesen liebevoll »Lamborghinis«. Oxana Masters sagt, das Schicksal habe es gut mir ihr gemeint. »Ich habe eine Menge Leute sagen hören: ›Das ist ja unglaublich. Du bist so tapfer‹ «, sagt Masters und wird richtig böse: »Ich hasse es, wenn Leute sagen, ich sei tapfer. Ich bin nicht tapfer. Ich lebe einfach nur mein Leben. Warum soll das tapfer sein?«
Oxana Masters, 24 Jahre alt, wurde in der Ukraine geboren. Sie kommt mit sechs Zehen an jedem Fuß zur Welt, ohne Daumen, die Beine sind verkrüppelt. Die Ärzte werden später feststellen, dass die Strahlen aus dem explodierten Reaktor in Tschernobyl Masters schon im Mutterleib geschädigt haben. Die Eltern geben sie in ein Kinderheim, dort wird sie missbraucht - manchmal mehrmals am Tag. Nach sieben Jahren wird sie adoptiert, heute ist Masters zweifache Medaillengewinnerin bei den Paralympics.
»Ich kam mir vor wie Aschenputtel, als ich mein neues Heim betrat. Selbst Dinge wie ein Kühlschrank oder ein Supermarkt haben mir den Verstand weggeblasen«, erzählt Masters über ihre Ankunft in den USA: »So viele Möglichkeiten, so viel zur Auswahl.« Sie lebt erst ein paar Wochen in Louisville Kentucky, der Stadt des großen Muhammad Ali, da werden Masters die Beine amputiert - sie konnten ihr Gewicht nicht mehr tragen.
»Damals hatte ich befürchtet, dass ich mich niemals als richtige Frau fühlen könnte«, sagt Masters. Vor den Spielen von London 2012 zieht sich die Rudererin für die »Body Issue« des »ESPN Magazins« aus - eine Provokation, ein riesiger Erfolg. »Schönheit kommt in so vielen Formen, so vielen Größen und Farben daher«, sagt sie, »aber es gibt nichts Schöneres für mich, als jemanden, der zuversichtlich und glücklich in seiner eigenen Haut ist. Ich hoffe, dass ich einigen Menschen damit helfen konnte.«
Masters macht sich gerne hübsch, singt, trägt High-Heels, geht shoppen und in Klubs tanzen. Am nächsten Morgen trainiert sie dann mit einem ehemaligen US-Marine, der seine Beine im Irak verloren hat. Rob Jones treibt Masters an ihre Grenzen.
Schon mit 13 Jahren begann sie zu rudern, in London holte sie Bronze und wurde zur Rudererin des Jahres in den USA gekürt. Seit zwei Jahren fährt sie Ski, wollte erst den Berg hinunterrasen, landete aber wegen ihres Ausdauertalents beim Langlauf und Biathlon. Silber hat sie über zwölf Kilometer in der Loipe von Sotschi schon geholt - drei Medaillen können noch dazukommen.
Und für Masters soll es weitergehen. Immer weiter. 2016 will sie in Rio in der Leichtathletik an den Start gehen. »Das könnte witzig werden«, sagt sie. Das Schicksal wird es schon gut mit ihr meinen. SID
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