Die Wut der Jugend
Eine neue Kampagne thematisiert Probleme, auf die junge Menschen bei der Wohnungssuche in Berlin stoßen
»Ich kann nicht ausziehen, weil es halt so teuer ist. Sonst wäre ich schon längst in eine Wohngemeinschaft oder so umgezogen«, antwortet eine 21-jährige Studentin bei der berlinweiten Wohnwut-Umfrage, durchgeführt von Berliner Jugendlichen. Sie ist mit ihren Problemen, bezahlbaren Wohnraum zu finden, nicht alleine. »Ich habe mir echt viele schreckliche Wohnungen angeguckt. Im Hinterhaus mit verschimmeltem Bad. Bei den Wohnungen, die gut sind, sind immer so 80 Leute«, berichtet eine 26-jährige Auszubildende von ihren Erfahrungen.
Rund 50 junge Besucherinnen und Besucher des Jugendkulturhauses Schlesische27 befragten für ihre Wohnwut-Kampagne 350 junge Berlinerinnen und Berliner zwischen 15 und 29 Jahren nach ihrer persönlichen Wohnsituation und ihren stadtpolitischen Utopien. Nachzulesen und nachzuhören sind die Ergebnisse nun in einer Broschüre und als Tondatei unter »wohnwut« auf der Tauschplattform Soundcloud.
»Wir haben zusammen mit den Jugendlichen Möbel gebaut und dann festgestellt, dass viele sie gar nicht mitnehmen konnten, weil die Jugendlichen aus sozial schwächeren Familien teilweise zu Hause im Flur oder in der Küche wohnen mussten und uns sagten, da passt ja gar kein Regal mehr hin«, so Barbara Meyer vom Jugendkulturhaus Schlesische27. Eine Erfahrung, die den Ausgangspunkt bildete, sich zusammen mit den Jugendlichen über das Thema auszutauschen. Schon öfter hat sie zusammen mit Jugendlichen Befragungen durchgeführt, um die Ergebnisse dann auch künstlerisch umzusetzen.
Auch diese Umfrage wird Grundlage für künstlerische Auseinandersetzungen sein. Im Juni wird daher auf einer Freifläche zwischen Hermannstraße und Tempelhofer Feld die Junipark Aktionsbaustelle entstehen. Zusammen mit 15 bekannten Künstlern werden die Jugendlichen ihre Wohnerfahrungen und Wohnträume in Theater-, Tanz-, Musik- und Performance-Projekten bearbeiten und präsentieren. »Die Aktionsbaustelle im Juni wird eine offene Struktur haben, jeder kann sich dort einnisten und mitmachen. So kann die Aktion eine Brutstation für diese Themen sein«, sagt Meyer.
Für Andreas Schulz vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der die Kampagne unterstützt, betrifft Wohnungsnot stark Jugendliche, die in betreuten Wohneinrichtungen untergebracht sind. Viele von ihnen müssten ihre Wohnungen mit dem 18. Geburtstag verlassen, da das Jugendamt dann meist nicht mehr zuständig sei. Viel früher als andere Jugendliche stehen sie praktisch alleine da. »Die Jugendlichen fallen durchs Raster«, so Schulz. Sie würden in dieser wichtigen Zeit der Orientierung alleine gelassen und fänden sich auf der Straße wieder oder würden sich bei Freunden durchschnorren.
Insgesamt zeigt sich in der Umfrage unter jungen Leuten eine große Angst, sich selbst keine Wohnung mehr leisten zu können und beispielsweise am Stadtrand wohnen zu müssen. Eine Angst, die sich in Aussagen spiegelt wie: »Da müsste man Menschen aus anderen Bundesländern verbieten, nach Berlin zu ziehen« oder »Hauptsache, nicht nach Spandau ziehen müssen«. Allerdings finden sich in der Umfrage auch konkrete Ideen, wie man etwas für junge Menschen auf dem Wohnungsmarkt tun könnte.
Ein Schüler (18) sagt, »es sollte Gegenden geben, die geschützt sind vor Mieterhöhungen«, eine 26-jährige Minijobberin schlägt vor: »Die Stadt sollte Jugendlichen helfen, dass sie vielleicht keine Kaution zahlen müssen oder die Stadt die Bürgschaft übernimmt.« Außerdem sollten, so ein 23-jähriger Angestellter, »bestimmte Wohnungen im Haus auch für Hartz-IV-Empfänger oder Flüchtlinge bereitgestellt werden.« Seiner Meinung nach gilt das für jedes Wohnhaus.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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