Umringt von zahnlosen Tigern

Klaus Richard Grün über den Fall Uli Hoeneß und die Fragen, die die Justiz bisher unbeantwortet ließ

  • Klaus Richard Grün
  • Lesedauer: 4 Min.

Dreieinhalb Jahre für Uli Hoeneß, und weder der Angeklagte noch die Staatsanwaltschaft haben gegen das Urteil Rechtsmittel eingelegt. Das zeigt den übereinstimmenden Willen, die Sache zu beenden, ohne weiteren Staub aufzuwirbeln. Denn der Prozess hat mehr Fragen aufgeworfen, als er beantwortet hat. Wahrscheinlich auch, als er beantworten sollte. Denn Bankkontenbewegungen wurden nicht einmal untersucht.

Geblieben ist allerdings der Eindruck, dass gerade dieser Fall die harmlosen und teils untauglichen Finanzkontrollmechanismen dieses Landes gnadenlos aufgezeigt hat. Den Bürgerinnen und Bürgern wird seit Jahren vorgegaukelt, dass die BRD über eine ausgezeichnete kommunale Finanzkontrolle und eine schlagkräftige Steuerfahndung verfügt. Das Gegenteil ist der Fall. Tatsächlich ist das kommunale Prüfungswesen eine Mischung aus über Jahrzehnte gepflegter Reformunwilligkeit, Machtmissbrauch, Erbsenzählerei, Motivationslosigkeit, Untertanengeist, Kleinstaaterei, Unwissenheit und Geldverschwendung. Die Struktur der Steuerfahndung ist geradezu eine Einladung zum Steuerbetrug.

Alle Parteien haben dem Steuerbetrug den Kampf angesagt. Die Vorschläge reichen von der Trockenlegung von Steueroasen über die Schaffung eines einfacheren Steuersystems bis zur Verbesserung des Datenaustauschs oder der Erhöhung der Anzahl der Steuerfahnder. An allen diesen Vorschlägen ist ein Körnchen Wahrheit. Keiner kann jedoch die einfachste und wirksamste Maßnahme zur Verhinderung von Steuerbetrug im »eigenen Haus« ersetzen - die »Zentrale Steuerfahndung«.

Mit wenig Aufwand würden ein enormes Abschreckungspotenzial gegen Steuerbetrug geschaffen und zusätzliche Milliarden Euro fließen. Die Zentrale Steuerfahndung ist auch ein Gebot der Wirtschaftlichkeit, denn es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass in »ärmeren« Bundesländern die Steuerfahndung ab 10 000 Euro ermittelt und in den »reichen« Bundesländern wie Bayern erst ab 100 000 Euro.

Die gegenwärtige Struktur begünstigt überdies, dass die »Geberländer« beim Länderfinanzausgleich kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit ihren einflussreichsten »Steuersündern« haben. Denn so verschwindet ein großer Teil der durch die Steuerfahndungen der »Geberländer« (u.a. Bayern und Hessen) realisierten Beträge in ärmeren Bundesländern. Die »Zentrale Steuerfahndung« wäre nicht zuletzt deshalb erforderlich, um den Einfluss von Politik und Unternehmen auf die Steuerfahndung des jeweiligen Bundeslandes zu verhindern bzw. wesentlich zu erschweren.

Intensiv wird das Für und Wider der strafbefreienden Selbstanzeigen diskutiert, durch die 2013 rund eine Milliarde Euro eingenommen wurde. Durch Steuerbetrug und Steuerverhinderung gehen dem deutschen Fiskus pro Jahr zugleich etwa 185 Milliarden Euro verloren, wenn man der SPD-Bundestagsfraktion folgt, die diese Zahl in ihrer Zeitung »Gute Arbeit« veröffentlichte. Selbst diese Größenordnungen scheinen die Politik nicht zu einer Reformierung der Steuerfahndung veranlassen zu können. Unglaublich!

Eckpfeiler des kommunalen Finanzprüfungswesen sind der Bundesrechnungshof, die Landesrechnungshöfe sowie die Rechnungsprüfungsämter (RPA) in den Gebietskörperschaften. Landesrechnungshöfe sind Relikte aus der alten BRD, die längst hätten aufgelöst werden müssen - was keine neue Erkenntnis ist. Denn es handelt sich nicht um Prüfungsbehörden, sondern um politische Institutionen, die von Politikern geleitet werden. Keine Verwaltung ist verpflichtet, deren Hinweise umzusetzen, denn Landesrechnungshöfe verfügen nicht über Sanktionsrechte; ihre Feststellungen haben lediglich empfehlenden Charakter. Sie sind zahnlose Tiger, mit unvertretbar hohen Vergütungen für ihre Beamten.

Eine hohe Verantwortung bei der Kontrolle der Steuergelder lastet auf den Schultern der Rechnungsprüfungsämtern, der sie nicht gerecht werden können, weil die Politik das nicht will. Wäre es anders, hätten längst die Gesetze geändert werden müssen. Die Ämter sind allesamt den Bürgermeistern, Landräten bzw. Parlamenten unterstellt, sind Bestandteil der Verwaltungen. Und da gilt die Regel: Wessen Brot ich ess’, dessen Lied ich sing’! Das führt nicht selten dazu, dass »pflegeleichte« oder fachlich ungeeignete Amtsleiter eingestellt werden, unliebsame Prüfer umgesetzt werden, eine ungenügende Personalausstattung erfolgt, die RPA von der Behördenleitung beeinflusst werden, den RPA Informationen vorenthalten werden sowie Prüfungen von Behördenleitern untersagt werden.

Im Engelsdorfer Verlag erschien 2012 von unserem Autor das Buch »Finanzrevisor Pfiffig aus der DDR«, 312 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-86268-898-2

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