Anschlagsziel Synagoge

Angriff auf jüdisches Gotteshaus in Lübeck jährt sich heute zum 20. Mal

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Anschlag auf die Synagoge in Lübeck am 25. März 1994 war der Beginn einer Serie von Angriffen auf jüdische Gotteshäuser.

Es war der erste Brandanschlag auf eine Synagoge in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. In der Nacht zum 25. März 1994 warfen vier junge Männer Molotowcocktails auf das jüdische Gotteshaus in Lübeck. Fünf Menschen schliefen in den oberen Räumen. Sie konnten gerettet werden, weil der damalige Kantor, Chaim Kornblum, den Brand rechtzeitig bemerkte. Zwei Räume der Gemeinde wurden vollkommen zerstört.

Der damalige Lübecker Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD) wollte am Tag nach dem Anschlag nach Lettland reisen. Stattdessen fuhr er in den frühen Morgenstunden in die St.-Annen-Straße zur Synagoge. »Die Glaubwürdigkeit unserer Demokratie steht auf dem Spiel«, sagte er in die laufenden Fernsehkameras hinein, die sich bereits dort eingefunden hatten. Auch Lübecker Bürger sammelten sich vor der Synagoge. Schüler und Studenten hielten eine spontane Mahnwache, einem Aufruf zu einer öffentlichen Mahnwache folgten am Abend rund 200 Personen. An einer Demonstration am Tag darauf beteiligten sich rund 4000 Menschen. Kantor Kornblum sagte später, er sei berührt gewesen von der »Solidarität der Lübecker Bevölkerung«.

Rund ein Jahr später, am 8. Mai 1995, wird die Synagoge wieder Ziel eines Brandanschlags - nur drei Wochen, nachdem die vier Beschuldigten zu zweieinhalb bis viereinhalb Jahren Haft verurteilt worden waren. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD im Lübecker Stadtparlament, Dieter Szameit, kritisierte das Urteil als zu mild. Kurz darauf zerfetzte eine Briefbombe die Hand eines Postmitarbeiters, der einen an Szameit adressierten Brief öffnete.

20 Jahre sind nach dem ersten Anschlag auf die Lübecker Synagoge vergangen. Seitdem wurden immer wieder Brandanschläge auf Synagogen verübt. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Mündliche Frage der LINKEN-Bundestagsabgeordneten Petra Pau vom vergangenen Jahr wurden allein von 2008 bis 2012 82 politisch motivierte Straftaten gezählt, die Synagogen als Ziel hatten. Dabei kann weder von einer Zu- noch einer Abnahme der Taten gesprochen werden. Im Jahr 2008 waren es 21 Anschläge, 2010 neun, 2012 wieder 13. Bei den meisten Delikten handelt es sich um Schmierereien von Nazisymbolen und Sachbeschädigungen. Auch eine Brandstiftung im Mai 2010 in Worms ist darunter.

Das ist allerdings nur ein geringer Anteil der Anschläge auf Juden oder jüdische Einrichtungen. Die Amadeu Antonio Stiftung listet seit 2002 alle medial aufgefallenen antisemitischen Vorfälle auf. Allein im Jahr 2013 waren es demnach rund 65. Viele davon sind Hakenkreuz-Schmierereien an Gedenkstätten für die Opfer des Naziregimes. Aber auch antisemitische Beleidigungen werden genannt oder das Wort »Jude« als Schimpfwort. Tatsächlich werden es viel mehr sein: Die meisten dieser Beleidigungen finden ihren Weg nicht in die Presse.

In der jüdischen Gemeinde in Lübeck, die zum Großteil aus Kontingentflüchtlingen aus der ehemaligen Sowjetunion besteht, heißt es, dass keine Gedenkveranstaltung geplant sei. Für weitere Auskünfte zum Thema fühlt sich niemand zuständig.

Die Initiative »Lübeck ist Weltoffen« hat für heute einen Gesprächsabend zum Thema Migration und Flüchtlinge angekündigt. Am Samstag folgt ein Aktionstag für eine Erinnerungskultur, an dem auch ein historischer Spaziergang zum jüdischen Leben in der Stadt vorgesehen ist.

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