CDU-Politiker: Hoffentlich gewinnt Timoschenko nicht
Reaktion nach heimlichem Telefon-Mitschnitt / Konflikte, Gesetzlosigkeit und der große Einfluss ultranationalistischer Kräfte erschüttern Ukraine
Berlin. Inmitten des Krim-Konflikts droht das offenbar abgehörte Telefonat die Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland weiter zu belasten. Die Äußerungen Timoschenkos wurden vom Russland-Berichterstatter der Unions-Bundestagsfraktion, Karl-Georg Wellmann (CDU), scharf kritisiert. Zugleich äußerte Wellmann die Hoffnung, dass Timoschenko im Fall einer Präsidentschaftskandidatur die Wahl am 25. Mai nicht für sich entscheiden wird. »Die Ukraine braucht eine Staatsführung, die besonnen das Land in die europäische Normalität führt«, sagte Wellmann bei »Handelsblatt Online«. Gute Beziehungen zu allen Nachbarn seien wichtig. »Solche Formulierungen entsprechen nicht europäischen Standards und sind nicht geeignet, das Vertrauen in Richtung EU und Russlands aufzubauen.«
Auch die Bundesregierung hat die Todesdrohungen der ukrainischen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin kritisiert. Bei aller Opposition zum russischen Vorgehen auf der Krim gebe es Grenzen in Sprache und Denken, die nicht überschritten werden dürften, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwoch in Berlin. »Gewaltbilder, Gewaltfantasien liegen weit jenseits dieser Grenzen.«
Die Grünen-Politikerin Marieluise Beck sagte im Sozialen Netzwerk Facebook, Timoschenko sei »nicht bei Sinnen. Diese irre Großmäuligkeit schadet der Ukraine und vor allem dem Euromaidan«. Die Bürgerbewegten in vielen Städten der Ukraine wollten »endlich frei sein von korrupten PolitikerInnen, die sich den Staat zur Beute machen. Sie wollen PolitikerInnen, die sich endlich an die dringend notwendigen Aufgaben machen, die den Menschen im Land wieder eine Zukunft geben«, so Beck.
In dem im Internet-Videoportal Youtube veröffentlichten Mitschnitt hatte die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko Todesdrohungen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgestoßen. »Ich bin selbst bereit, eine Kalaschnikow in die Hand zu nehmen und dem Dreckskerl in den Kopf zu schießen«, so Timoschenko in dem Teleofnat in Richtung Putin. In ihrem Telefonat mit einem Politiker der prorussischen Partei der Regionen droht sie weiter: »Ich werde die ganze Welt (gegen Russland) erheben, sobald ich es kann, damit - verdammt - von Russland nicht einmal ein verbranntes Feld übrig bleibt.« Timoschenko bestätigte den Mitschnitt in weiten Teilen, Passagen wurden nach ihrer Aussage aber verändert. Putins Sprecher Dmitri Peskow wollte den Vorfall zunächst nicht kommentieren. In Moskau forderte die Kommunistische Partei die russische Ermittlungsbehörde auf, ein Verfahren gegen Timoschenko zu prüfen. Timoschenkos Kandidatur bei der Präsidentenwahl am 25. Mai gilt als wahrscheinlich. Kritiker schlossen nicht aus, dass der Mitschnitt ein Teil ihrer Wahlkampagne ist, um Sympathiepunkte im antirussisch geprägten Westen des Landes zu sammeln.
Neben diesen Turbulenzen und der ohnehin fortdauernden Krim-Krise erschweren interne Konflikte, Gesetzlosigkeit und der große Einfluss ultranationalistischer Kräfte die Arbeit der Regierung um Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. Nach scharfer Kritik an mangelnden Befehlen für die Truppen auf der Schwarzmeerhalbinsel trat der kommissarische Verteidigungsminister Tenjuch zurück. Als Nachfolger wählte das Parlament in Kiew den Generaloberst Michail Kowal. Einen von Interimspräsident Alexander Turtschinow angebotenen Rücktritt lehnten die Abgeordneten ab. Für Unruhe sorgte auch ein Vorfall in der westukrainischen Stadt Rowno. Dort wurde bei einem Polizeieinsatz Alexander Musytschko erschossen, ein führendes Mitglied des militanten Rechten Sektors. Die einflussreiche Gruppe kündigte Rache an. Agenturen/nd
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