In Hartz-Höllenhausen

Im Kino: André Schäfer verfilmt Moritz von Uslars »Deutschboden«

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Wie ein Ethnologe zu den sogenannten Wilden, so machte sich der Journalist Moritz von Uslar vor fünf Jahren auf zu einer (Selbst-)Entdeckungstour in eine brandenburgische Kleinstadt, um über den Alltag in einer Gegend zu schreiben, die viel Bevölkerung an andere Bundesländer verlor, ohne neue Einwohner zu gewinnen. Ein Westler unter Ostlern, ein Stadtmensch unter Kleinstädtern, ein Gutverdiener unter Hartz IV-Empfängern, ein Snob (mit allerdings bemüht schnoddriger Schreibe) unter Baseballkappenträgern. Einer mit so viel Gegenwart und Zukunft, dass er es sich leisten kann, seine Zeit am Tresen trister Kleinstadt-Kneipen in dem Versuch zu vertun, sich in einen Ort einzufühlen, der ihm strukturell fremd ist, unter lauter Männern ohne Perspektive.

Einen »Ausflug nach Hartz-Höllenhausen« nennt von Uslar das in dem Buch, das er vor vier Jahren über seine Sommermonate in der brandenburgischen Provinz jene paar fatalen Kilometer jenseits des Berliner Speckgürtels schrieb. Ähnlich angelegt ist auch der Dokumentarfilmhybrid »Deutschboden«, den André Schäfer dort mit dem Autor drehte. Es sei in der brandenburgischen Provinz aber immer noch um Längen besser als manches, was man in Mecklenburg-Vorpommern an hoffnungslosen Trostlos-Städten hätte finden können, meint Schäfer.

Eine Arbeiterstadt sei sein »Oberhavel«, befindet Uslar anerkennend (schließlich ist er auf »Prollsuche«), an seinen Zehdenicker Lieblingstresen gelehnt - ganz anders als die Bauernstadt nebenan. Und er erklärt die Erzählung des Wirts, zu DDR-Zeiten habe man das Bier mangels Kühlzelle stets zimmerwarm ausgeschenkt, zur besten, weil unglaublichsten Geschichte des Jahres. In einer anderen Kneipe bricht sich unter den älteren Stammgästen Ende des Monats, wenn die Stütze für allzu viele Bierchen draufgegangen ist, trotzdem eine gewisse Ostalgie Bahn, glaubt man von Uslar.

Der passt sich optisch an und läuft recht schlicht gekleidet rum, die Haare mit altdeutschem Scheitel frisiert und plattgegelt, als wären die heutigen Nazis, mit denen er in der brandenburgischen Provinz fest rechnet, nicht längst eher kahlgeschoren. Nur den albernen kleinen Hut, den er sich laut Buch für das Ostprovinz-Abenteuer zu- und dann vor Ort auch nicht mehr ablegte, den hat er sich im Film gespart. Die rücksichtslose Stilkritik hingegen nicht: die älteren Frauen in »Oberhavel« sähen alle aus wie Männer, hart, alt, abgearbeitet, befindet er - und einer seiner neuen Freunde nennt die einheimischen Mädel fett und die im nahe gelegenen Polen viel interessanter.

Von Uslar trifft überhaupt viele Männer, viele von ihnen auf Hartz IV: Hier bestätigt das Ostprovinz-Klischee sich selbst. Frauen sind offenbar seltene Gäste in den Kneipen, in denen er Bekanntschaften schließt. Jungmänner mit Arbeit und ohne Tätowierung ebenso. Dass die Jungs von der Band »5 Teeth Less« (denen er durch Premieren-Gigs und häufige Nennung eine gewisse Bekanntheit verschafft, auch wenn er ihnen in seinem Text bescheinigt, ihre Instrumente natürlich nicht wirklich zu beherrschen) ständig ein Bier in der Hand halten, könnte ja auch damit zusammenhängen, dass der Autor spendabel war, wenn es ums Anleiern so richtig authentischer ostdeutscher Rockergespräche ging.

Bei den nächtlichen Partys an der Tankstelle aber, wo Rauchen, Knallkörperwerfen und testosteronübersteuertes Reifenverschleißen unbedingt zum Ritual gehören, sorgt die Ortsjugend selbst für die Dröhnung.

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