Türkei: Erdogan erklärt Wahlsieg - und droht
Begleitet von zahlreichen Manipulationsvorwürfen: Islamisch-konservative AKP gewinnt landesweit in den Kommunen / Stromausfälle in Auszählungslokalen
Ankara. Verbunden mit heftigen Drohungen an die Adresse seiner Gegner hat der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den Sieg seiner Partei bei den Kommunalwahlen erklärt. Aktivisten berichteten indes über Anzeichen für Wahlbetrug. Vor tausenden jubelnden Anhängern kündigte Erdogan in der Nacht zu Montag derweil an, seine Gegner würden für Anschuldigungen und Kritik der vergangenen Monate »bezahlen« müssen. Nach Auszählung von über 80 Prozent der Stimmzettel kam die AKP auf 45 Prozent. »Das Volk hat heute die hinterhältigen Pläne und unmoralischen Fallen durchkreuzt (...) Diejenigen, die die Türkei angegriffen haben, wurden enttäuscht«, rief Erdogan seinen Anhängern vor dem Sitz der AKP in Ankara zu. »Es wird keinen Staat im Staate geben, die Stunde ist gekommen, sie zu beseitigen«, fügte der 60-jährige Regierungschef in unverhohlener Anspielung auf den islamischen Prediger Fethullah Gülen und dessen Anhänger hinzu. Die Menge schwenkte Fahnen und rief Parolen wie »Die Türkei ist stolz auf Dich« und »Gott ist groß«.
Laut Teilergebnissen nach Auszählung von 80 Prozent der Stimmzettel kam die islamisch-konservative AKP am Sonntag landesweit auf 45 Prozent, weit vor der wichtigsten Oppositionspartei CHP mit 28 Prozent. Die AKP gewann auch die Metropole Istanbul. In der Hauptstadt Ankara zeichnete sich dagegen ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kandidaten von AKP und CHP ab. Noch während der Auszählung kam es zu heftigem Streit mit der oppositionellen CHP, deren Kandidaten den Sieg in Istanbul und Ankara für sich beanspruchten. Beide Seite warfen sich gegenseitig Manipulationen vor. Vizeregierungschef Bülent Arinc (AKP) sagte: »Die AKP ist Sieger dieser Wahl. Alle andere haben verloren.«
Im Laufe des Wahlabends hatte die Opposition kritisiert, die von der der AKP-nahen Nachrichtenagentur Anadolu veröffentlichten Teilergebnisse seien manipuliert. Regierungskritische Medien hatten die CHP zwischenzeitlich teilweise deutlich stärker gesehen als die AKP. Zudem wurde berichtet, dass es Hunderte Fälle von Klagen über Wahlbetrug und Unregelmäßigkeiten gegeben haben soll. So sollen Behördenvertreter und Polizisten versucht haben, Bürger davon abzuhalten, der Auszählung beizuwohnen. Die CHP beklagte zudem, es habe Stromausfälle in Auszählungslokalen unter anderem in Istanbul gegeben. Auch aus anderen Städten wurde gemeldet, dass die Auszählung der Stimmen bei Kerzenlicht stattgefunden habe.
In einem Wahllokal in Erdogans Heimatstadt Istanbul protestierten zwei Aktivistinnen der Gruppe Femen gegen den Regierungschef. Die beiden jungen Frauen sprangen auf einen Tisch und zeigten ihre nackten Oberkörper, auf denen »Verbietet Erdogan« zu lesen war, wie Bilder zeigten. Beide wurden festgenommen.
Bei Auseinandersetzungen während der Kommunalwahlen waren am Sonntag zudem mindestens acht Menschen getötet worden. In zwei Ortschaften der südlichen Provinzen Hatay und Sanliurfa habe es Schießereien zwischen Angehörigen einzelner Kandidaten gegeben, berichteten türkische Fernsehsender. Bei Wahlen in der Türkei hat es in der Vergangenheit immer wieder tödliche Zwischenfälle gegeben.
Nach einem Jahr schwerer politischer Auseinandersetzungen hat der islamisch-konservative Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan die Stimmabgabe zur Richtungswahl erklärt. In den vergangenen Monaten hatte es heftige Proteste der Bürgerbewegung gegen die Regierung gegeben, außerdem läuft seit Monaten ein Machtkampf zwischen Erdogan und seinen Gegnern im religiös-konservativen Lager. Praktisch täglich wurden im Internet neue Korruptionswürfe laut. Agenturen/nd
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