Vom Heilmittel zum Edelgemüse
Spargel schmeckt nicht nur vielen Menschen, er regt auch den Stoffwechsel an
Auf ägyptischen Wandmalereien an Königsgräbern kann man sehen, was die Herrscher damals aßen: Spargel. Allerdings soll er in diesen Zeiten eher als Heilmittel, denn als edle Speise gegolten haben.
Asparagus officinalis, so der lateinische Name des alten Wurzelgemüses, wirkt als starkes Diuretikum. In der Naturheilkunde bei Lungenödemen und anderen Wasseransammlungen bzw. Schwellungen zum besseren Abtransport dieses eingelagerten Wassers genutzt, verringert der stark harntreibende Spargel die Gesamtflüssigkeitsmenge im Körper. Dadurch geht gleichfalls Wasser für die im Blut zirkulierende Harnsäure verloren. Die Konzentration an Harnsäure im Blut steigt kurzzeitig an. Harnsäure kristallisiert zu Natriumurat aus und lagert sich in Gelenken und Sehnenscheiden ab. Bei einem akuten schmerzhaften Gichtanfall seien meist Blutsenkungsgeschwindigkeit und C-reaktives Protein erhöht, die Harnsäure selbst liege dann im Normalbereich, beschreibt Edith Bennack in der Pharmazeutischen Zeitung, Ausgabe 45/2006, eine Schwierigkeit bei der Diagnosestellung. Immer wieder gelangt der Spargel wegen dieses Zusammenhangs auf die Verbotsliste für Menschen mit einer Neigung zu Gicht und erhöhtem Harnsäurespiegel. Hohe Purin- und Harnsäurewerte finden sich aber in veralteten Nährwerttabellen. Sie sind ohnehin nur einer von mehreren Faktoren, die bei der Entstehung von Gicht eine Rolle spielen.
Die Familie der Spargelgewächse, welche wie die Lauchgewächse und die bekannten, aber teilweise giftigen, Frühblüher zur Unterklasse der Lilienähnlichen gehört, vermag den Stoffwechsel der Leber anzuregen und auf diese Weise Zuckerkrankheit und Fettsucht positiv zu beeinflussen. Eine dauerhaft überkalorische Fehlernährung mit hoher glykämischer Last und geminderter Fettqualität kann das Gemüse dabei selbstverständlich nicht ausgleichen. Eine bewusste, gemäßigte Kost wird jedoch gerade im Frühling durch die verschiedenen Spargelsorten auf vortreffliche Weise ergänzt.
Ganz besonders grüner Spargel, der kaum geschält werden muss, enthält mehr Asparagin und Coniferin, die für den guten Geschmack verantwortlich sind, zudem mehr Vitamin C, Beta-Carotin, Chlorophyll, das den körpereigenen Geruch verschönert, und nicht zu vergessen mehr Vitamin K. Letzteres Vitamin benötigt der Körper, um das Vitamin D optimal nutzen zu können, das ab Ende März mit Hilfe des UVB-Anteils des Sonnenlichts wieder vermehrt in der Haut gebildet werden kann.
Bevor die Natur den Spargel sprießen lässt, gibt sie dem Wachstum von Wildkräutern den Vorrang, die den Körper im zeitigen Frühjahr mit Vitamin K versorgen und den Stoffwechsel auf Wärme einstimmen. Einige Arten wie junger Löwenzahn, Giersch und Brennnessel befördern die Ausscheidung von Harnsäure, die sich vielleicht im Laufe der Wintermonate angesammelt hat. Frühlingssonne und damit einhergehend ein erhöhter Vitamin-D-Status verbessern oftmals auch den Stoffwechsel bei Vorstufen der Zuckerkrankheit. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung verweist auf die wechselseitige Beziehung zwischen Diabetes und Gicht. Bevor ein Typ-2-Diabetes ausbricht und diagnostiziert wird, arbeitet die Bauchspeicheldrüse lange Jahre bereits auf Hochtouren und produziert bis zu achtfach erhöhte Insulinmengen, um trotz Insulinresistenz in den Zellen noch einen normalen Blutzuckerspiegel zu gewährleisten. Erhöhte Insulinspiegel hemmen dabei die Ausscheidung von Harnsäure. Schlussfolgernd sei in der Spargelzeit empfohlen, eher die süßen Genüsse einzuschränken, als das gesunde Gemüse. Neueren Erkenntnissen zufolge konzentriert sich die Harnsäure in den Spargelköpfen, die unter Gourmets als das Beste gelten. Entfernt man von den Stängeln die holzigen Stellen und das holzige Ende, ist das Gemüse in seiner »Ganzheit« und über mehrere kleine Portionen während der Saison bis zum Juni verteilt zu genießen.
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