Kalter Friede im All
USA kündigen Raumfahrtkooperation mit Russland auf, kommen aber ohne »Sojus«-Transporter nicht zur ISS
Der US-Tageszeitung »New York Times« zufolge dürften Mitarbeiter der Raumfahrtbehörde NASA nicht mehr nach Russland reisen und Vertreter der russischen Regierung keine NASA-Einrichtungen mehr besuchen. Moskau reagierte darauf ähnlich gelassen wie auf die Aufkündigung der militärischen Zusammenarbeit durch die NATO-Außenminister.
Kooperation im All, sagte der für Rüstung und Raumfahrt zuständige Vizepremier Dmitri Rogosin bei Radio Echo Moskwy, tendiere seit geraumer Zeit ohnehin gegen Null. Einzige Ausnahme sei die Internationale Raumstation ISS, und die ist von dem Embargo nicht betroffen. Denn die NASA, die 2010 ihr eigenes Shuttle-Programm einstellte, ist derzeit auf die Nutzung russischer Raumtransporter vom Typ »Sojus« angewiesen. Damit werden Kosmonauten wie Astronauten, Ausrüstungen und Nachschub vom Weltraumbahnhof Baikonur, den Russland von Kasachstan gepachtet hat, ins All gehievt.
Washington will diesen eigenen Notstand natürlich schnellstmöglich beenden. Das 2011 mit Russland geschlossene Abkommen - Volumen rund 753 Millionen Dollar - läuft 2016 aus. Spätestens 2017 soll die NASA ihre Astronauten wieder vom eigenen Gebiet und mit eigenen Kapseln starten lassen. Ursprünglich sollte das bereits 2015 passieren, der Termin musste aus finanziellen Gründen jedoch um zwei Jahre verschoben werden. Zwar müssen die Amis für die Beförderung jedes Astronauten an Moskau rund 70 Millionen US-Dollar zählen. Doch der Start einer eigenen Kapsel wird erheblich teurer. Die russischem Beförderungsmittel gelten zudem als robuster und haben weniger Macken. Das gilt auch für die Technik an Bord der ISS. Die meisten Ausfälle, lästern Experten der staatlichen russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos, habe bisher das hoch komplizierte und selbst für Spezialisten oft nur schwer beherrschbare Hightech-Gerät made in USA verursacht.
Dafür ist Washington allerdings der größte ISS-Nettozahler. Die NASA, deren Budget zehnmal größer ist als das von Roskosmos, investiert jährlich rund 100 Millionen Dollar in den Betrieb und die Wartung der Raumstation. Kürzungen halten russische Raumfahrtexperten trotz der neuen Eiszeit im russisch-amerikanischen Verhältnis für wenig wahrscheinlich. Die Kooperation im Weltall, glaubt man bei Roskosmos, habe schon zu Zeiten des Kalten Krieges so manchen Sturm überstanden. Dabei gab es damals die ISS noch nicht einmal. Sie aber zwinge beide Seiten förmlich zum Frieden - wenn auch zu einem kalten.
Die Internationale Raumstation ISS kreist seit 1998 - zuerst unbemannt, dann mit wechselnden internationalen Besatzungen - in 480 Kilometer Höhe um den blauen Planeten und ist vor allem ein russisch-amerikanisches Gemeinschaftsprojekt. Sie wäre in kürzester Zeit aber nur noch ein gigantischer fliegender Schrotthaufen, wenn Raumschiff und Technik nicht beständig gewartet würden. Von Menschen. Roboter taugen derzeit dazu nur sehr bedingt. US-Ingenieure aber haben nur die von den USA gelieferten Anlagen voll im Griff, russische nur die von Moskau konstruierten. Daran habe sich auch nach jahrelangem Training nichts geändert, sagt ein Roskosmos-Mitarbeiter, der namentlich nicht genannt sein will. Keiner von beiden könne die ISS daher allein betreiben.
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