Mehr Zeit für Eltern
Studie: Deutsche Unternehmen wenig familienfreundlich / DIHK fordert flexiblere Arbeitszeitmodelle
Familienfreundliche Unternehmen? Zwischen der Selbstwahrnehmung der Firmen und der Praxis klafft eine große Lücke, wie eine aktuelle Studie der Managementberatung A.T. Kearney zeigt, die »nd« vorliegt: Demnach sind nur 30 Prozent der Arbeitnehmer der Ansicht, dass ihr Betrieb viel oder sehr viel für die Vereinbarkeit von Kindern und Beruf tut. Lediglich acht Prozent der Befragten sagten, ihr Unternehmen sei im vergangenen Jahr familienfreundlicher geworden.
Laut dem Unternehmensmonitor des Bundesfamilienministeriums, der im Juni 2013 erschien, ist jedoch für acht von zehn Unternehmen in Deutschland Familienfreundlichkeit wichtig. Noch 2003 hatte das weniger als die Hälfte der Firmen angegeben.
Die wachsende Bedeutung des Themas führt aber aus Sicht der Mitarbeiter nicht zu praktischen Konsequenzen: Nur zwölf Prozent der Arbeitnehmer mit Kindern oder Kinderwunsch gaben in der Kearney-Studie an, ihr Arbeitgeber biete alle für sie wesentlichen Leistungen an. Besonders vermisst wurden demnach Betreuungsmöglichkeiten im Notfall oder in den Ferien, spezielle Väterangebote sowie Auszeit- und Sonderurlaubsregelungen. Studienautor Martin Sonnenschein forderte einen kulturellen Wandel: »Es muss für Mütter und Väter möglich sein, familienbedingte Auszeiten zu nehmen oder auch eine Zeit lang die Arbeitszeit zu reduzieren, ohne dass sie dadurch berufliche Nachteile befürchten müssen.«
Während die Studie auf die Vorbildwirkung von Führungskräften und eine bessere unternehmensinterne Dialogkultur setzt, forderte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Eric Schweitzer, konkrete Maßnahmen. Eine Möglichkeit sei die 35-Stunden-Woche für Väter und Mütter: »Wir müssen von Modellen wegkommen, bei denen der eine Partner Vollzeit arbeitet und der andere Teilzeit mit wenigen Stunden«, sagte er der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«.
Schweitzer begründete seinen Vorstoß mit dem drohenden Fachkräftemangel und dem immer noch niedrigeren Erwerbsanteil von Frauen. Zudem arbeiteten viele von ihnen nur Teilzeit. Laut der Studie haben fast zwei Drittel der Mütter Erfahrung mit Teilzeit, aber nur sieben Prozent der Väter.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD), die im Januar ein ähnliches Modell vorgeschlagen hatte, begrüßte den DIHK-Vorschlag. »Wir müssen Vollzeit für Familien neu definieren«, sagte sie. Schwesigs Vorhaben einer »Familienarbeitszeit« von 32 Stunden war seinerzeit von DIHK-Vizegeschäftsführer Achim Dercks mit Verweis auf firmeninterne Lösungen zurückgewiesen worden.
Die IG Metall ging Anfang des Jahres noch einen Schritt weiter und forderte eine 30-Stunden-Woche für Eltern. Die Gewerkschaft will das zu einem Thema in kommenden Tarifrunden machen. Ungeklärt bleibt aber die Finanzierung solcher Lösungen. Schwesig hatte vorgeschlagen, einen Teil der durch die Arbeitszeitreduzierung entstehenden Lohneinbußen mit Steuermitteln auszugleichen.
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