Valls will um Vertrauen werben
Frankreichs neuer Premierminister gibt seine erste Regierungserklärung ab
»Wir sind nicht am Anfang einer Amtszeit. Mein Anliegen ist vor allem, die besorgten Franzosen zu beruhigen und auf ihre dringlichen wirtschaftlichen und sozialen Fragen zu antworten«, sagte Manuel Valls in einem Interview der Wochenzeitung »Journal du dimanche« zu seiner ersten Regierungserklärung. Und er verwies auf den »Vertrauenspakt«, den Präsident François Hollande und die Regierung mit den Franzosen und vor allem mit den sozial Schwächsten von ihnen schließen wollen, nachdem sie den Unternehmern bereits einen »Verantwortungspakt« angeboten haben.
Das Gefühl der Ungerechtigkeit sei sehr verbreitet. Vier Jahre Steuererhöhungen hätten zu Überdruss geführt, bei der Mittelschicht wie bei den Einkommensschwächsten, die früher freigestellt waren und nun erstmals Steuern zahlen mussten. Hier gebe es einiges zu korrigieren, so der Premier. Doch an den Grundzügen der Politik werde sich nichts ändern, habe ihm Präsident Hollande als Richtschnur auf den Weg gegeben, und daran werde er sich halten, unterstrich Manuel Valls.
Diese Kontinuität kann man auch an der Zusammensetzung der neuen Regierung ablesen, in der es nur zwei neue Gesichter gibt, während alle anderen bereits im vorangegangenen Kabinett Ayrault saßen und jetzt höchstens das Ressort wechselten. Außenminister Laurent Fabius und Justizministerin Christiane Taubira haben ihr Amt behalten, was auf Kontinuität auch in der Außenpolitik und bei der Fortsetzung der angeschobenen Justizreform schließen lässt - ungeachtet der Proteste der Polizeigewerkschaften. Nummer drei in der Regierung wurde Ségolène Royal, die mit dem Umwelt- und Energieministerium auch die Zuständigkeit für den Verkehr übernommen hat. Sie ist noch vor der ersten Ministerratssitzung am vergangenen Freitag mit einer kühnen Erklärung vorgeprescht und hat für erhebliches Medienecho gesorgt. Sie werde die geplante »Ökotaxe« für Lastwagen auf Nationalstraßen, die nach Protesten im Herbst für ein Jahr zurückgestellt war, »noch einmal von Grund auf überprüfen«, kündigte Royal an. »Ich bin gegen Umweltschutz in Form von Strafsteuern.«
Das ist zusätzlicher Konfliktstoff für das schwierige Verhältnis mit der Partei der Grünen. Sie hat darauf verzichtet, in der neuen Regierung wieder mit eigenen Ministern vertreten zu sein, weil Präsident Hollande nicht auf ihre Forderung nach einer veränderten Politik eingegangen ist. Premier Valls hat am Wochenende noch einmal eine Abordnung der Grünen eingeladen, um über die künftige Zusammenarbeit zu sprechen und sie vor allem hinsichtlich des weiter angestrebten Energiewandels zu beruhigen. Das Gespräch brachte keine Annäherung. Aber immerhin werden die Grünen-Abgeordneten in der Nationalversammlung nicht mit Nein stimmen, sondern sich höchstens der Stimme enthalten, wenn nach der Regierungserklärung die Vertrauensfrage gestellt wird.
Enthalten wird sich auch die Fraktion der Linksfront aus Kommunistischer Partei und Partei der Linken. Damit schmilzt der Stimmenvorsprung der Sozialisten in der Nationalversammlung auf weniger als eine Handvoll Abgeordnete. Umso mehr kommt es darauf an, dass keiner von den eigenen Leuten ausschert. Am Wochenende haben 83 sozialistische Abgeordnete vor allem des linken Flügels, aber auch von anderen Gruppierungen in einem gemeinsamen Brief an Präsident Hollande appelliert, seine Politik wieder stärker an den traditionellen linken Werten der Partei auszurichten. Doch sie machen sich keine Illusionen über die Aussichten ihres Appells. Gegen die eigene Regierung wird trotzdem keiner von ihnen stimmen.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.