Der bessere Lewandowski
Hannover gegen Hamburg ist für Artjoms Rudnevs und Mirko Slomka auch ein Spiel gegen die Vergangenheit
Für Mirko Slomka ist das Nordderby zwischen Hannover 96 und dem Hamburger SV, bei dem es für beide Mannschaften um den Klassenerhalt geht, eine Rückkehr in die Heimat. Von 1989 bis 1999 trainierte der Hildesheimer die Jugendmannschaften der Hannoveraner und führte dabei spätere Nationalspieler wie Gerald Asamoah und Per Mertesacker an die Profilaufbahn heran. Von 2001 bis 2004, nach einem Gastspiel bei TeBe Berlin, war Slomka Co-Trainer von Ralf Rangnick und feierte mit den Niedersachsen die Rückkehr in die Bundesliga. Im Januar 2010, als der Klub nach dem Selbstmord von Robert Enke und der daraus resultierenden sportlichen Krise vor dem Kollaps stand, kehrte er als Cheftrainer in die niedersächsische Landeshauptstadt zurück. In den darauffolgenden zwei Spielzeiten führte der studierte Mathematik- und Sportlehrer die Roten in die Europa League.
Kurzum: Slomka weiß, wie sich ein Sieg im Niedersachsenstadion anfühlt. Zuletzt konnte er dort am 1. Dezember jubeln. Damals besiegten die noch von ihm trainierten Hannoveraner Eintracht Frankfurt mit 2:0. Drei Wochen später war die Zusammenarbeit beendet. Nach der 1:2-Niederlage gegen Freiburg musste Slomka seinen Stuhl räumen. Es war das achte Spiel in Folge, dass Hannover auswärts verlor. Für das vor der Saison ausgegebene Ziel Europa League keine ausreichende Bilanz. Immerhin befand sich Hannover damals mit sieben Punkten Vorsprung auf einen Abstiegsplatz noch in einigermaßen sicheren Gewässern. Heute sind es für die mittlerweile von Tayfun Korkut trainierten 96er nur noch drei Punkte. Für Slomka überraschend: »Ich weiß, dass es ein guter Kader ist, mit vielen guten Einzelspielern.«
Zu den guten Einzelspielern dürfte Slomka auch Artjoms Rudnevs zählen, für den die heutige Partie ebenfalls eine Konfrontation mit der Vergangenheit ist. Noch in der Hinrunde trug der lettische Nationalspieler das Hamburger Trikot mit der Raute. Seit dem Winter ist der Stürmer an Hannover ausgeliehen. Mit diesem Geschäft endeten für Rudnevs eineinhalb Jahre, die alles andere als optimal verliefen. Im Sommer 2012 wechselte der damals 24-Jährige für 3,5 Millionen Euro von Lech Poznań zum Hamburger SV. Für Frank Arnesen, den damaligen HSV-Sportdirektor, ein Wunschtransfer und durchaus gelungener Coup. Denn neben den Hamburgern waren auch Spitzenklubs wie der FC Porto an Rudnevs interessiert. Doch Rudnevs sah seine sportliche Zukunft in der Bundesliga.
In Polen, wo der Stürmer zwei Jahre lang spielte, stieß seine Entscheidung jedoch nicht bei allen Fußballexperten auf Verständnis. »Ich rate von diesem Transfer ganz entschieden ab«, verkündete kein geringerer als Mirosław Okoński, der 1987 mit dem HSV den DFB-Pokal gewann. »Ich ging zu einem Spitzenklub in Deutschland und Artjoms Rudnevs sollte es auch tun.« Dass Okoński den Wechsel kritisierte, liegt einerseits am kriselnden HSV. Andererseits an dem Ruf, den Rudnevs östlich der Neiße genießt. Manche in Polen halten ihn gar für einen besseren Stürmer als Robert Lewandowski, dessen Nachfolger er 2010 in Poznań wurde. Die Statistik spricht jedenfalls für den Letten, der in der polnischen Liga eine bessere Torquote vorweisen konnte. Und auch in seiner ersten Bundesligasaison konnte Rudnevs mit zwölf Toren vier mehr erzielen als Lewandowski in seinem ersten Jahr in Dortmund.
Während Lewandowski in seiner zweiten Spielzeit zum Star avancierte, geriet Rudnevs nach Trainerwechseln und Verletzungen aber zum Bankdrücker. Als Slomka am 17. Februar in Hamburg anheuerte, hatte Rudnevs sein Hannover-Debüt schon absolviert. 96 will ihn fest verpflichten. Rudnevs könnte Okoński am Samstag also zeigen, dass er - wenn schon nicht bei einem Spitzenteam - zumindest bei einem besseren Klub als dem HSV spielen wird.
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