»Ich will aber gerade vom Leben singen«
Sigrid Grajek gastiert im BKA als Claire Waldoff
Wer reich werden will, muss was anderes machen, sie lebe auf bescheidenem Fuß, sei aber glücklich, sagt Sigrid Grajek. Die Schauspielerin bereitet sich wieder einmal auf ihr Claire-Waldoff-Programm vor. Mit Waldoff, der großen Diseuse im Berlin der 1920er und 1930er Jahre, verbindet sie manches. Beide stammen aus dem Ruhrpott, hatten Vorfahren im Kohlebergbau. Und sind rustikal burschikose Typen. Für Grajek wurde das zum Problem. Von der Mädchenschule wechselte sie auf ein Jungengymnasium, fühlte sich dort wohler, verließ es ohne Abschluss, zog in ein besetztes Haus: aus einem katholischen Umfeld hinein in die Ostermarschbewegung und den Kampf gegen Gorleben als Endlager für Atommüll. Es folgten, alles parallel, Abendschule, private Schauspielausbildung und Schichtarbeit in Dortmund.
Ihre Bühnenkarriere startete in Berlin. 1985 begann sie als Regieassistentin und Schauspielerin in der Theatermanufaktur am Halleschen Ufer. Dort erlernte und schulte sie ihr Handwerk, trieb sich nach Auflösung der Theatermanufaktur in der Freien Szene herum, war Gast am Stadttheater Bremerhaven. Zum Kabarett kam sie 1995, durch eine Einladung ans Berliner Brett’l im Dreispitz an der Friedrichstraße. Bis 2011 spielte sie sich durch dessen Repertoire - und trat in einem Claire-Waldoff-Abend auf. Grajek, von Anbeginn kein Gretchentyp, mit dem Hang, Tragödien spielen zu wollen, oft sehr verzweifelt, hörte ihre Stunde schlagen. Mit Waldoff, der Seelenverwandten, ließe sich etwas aufbauen. So entstand 2007 »Claire Waldoff: Ich will aber gerade vom Leben singen.«
Die Atmosphäre der Zensur, gegen die Waldoff ansingen musste, gibt es zwar nicht mehr, auch nicht jenes Publikum, das zwischen den Zeilen zu lesen verstand. Das Leben mit Humor angehen, Ernst in Heiterkeit verwandeln, mit den Figuren der Couplets leiden und lachen, bleibe aber zeitlos aktuell, ist Grajek überzeugt. Obwohl sie wie ihr Vorbild in Anzug und Krawatte auftritt, auch dies einst Kritikpunkt der Zensur, möchte sie Waldoff nicht nachahmen, sondern interpretieren, sich ihr als Frau von heute nähern. Infotainment und Geschichtsstunde nennt sie ihr Anliegen, über die Moderation die Hintergründe der Lieder aufzuzeigen. Bekannte sind dabei, wie »Hermann heeßt er« und »Das war sein Milljöh«, doch auch weniger geläufige. An vielen Orten, von der Kleingartenkolonie bis zur Privatfeier, ist sie bisher aufgetreten, weit über 100 Mal. Grajek, eine Proletarierin des Theaters, getreu der Bitte ihrer früheren Arbeitskollegen.
16., 18.-20.4., 20 Uhr, BKA, Mehringdamm 34, Kreuzberg, Karten unter 20 22 007, www.bka-theater.de
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