Fünf Minuten reichen nicht

Präsident Ulrich Lepsch sieht den FC Energie Cottbus trotz fast sicherem Abstieg »grundsolide aufgestellt«

  • Stephan Fischer, Cottbus
  • Lesedauer: 4 Min.
Nach dem 1:1 gegen St. Pauli ist Energie Cottbus immer noch nicht abgestiegen - Verein und Fans haben sich dennoch schon mit der Drittklassigkeit abgefunden.

Die Nordwand, der Fanblock im Cottbuser Stadion der Freundschaft, bot an diesem Gründonnerstag ein gespenstisches Bild. Kein rot-weißes Gewimmel wie sonst bei den Zweitligaspielen, stattdessen gähnende Leere beim Heimspiel gegen den FC St. Pauli. Nach der Partie gegen Dynamo Dresden am 4. April war der Verein vom DFB zu einer Geldstrafe von 10 000 Euro und der Sperrung der drei Fanblöcke verurteilt. Der Schiedsrichterassistent war von einem Gegenstand getroffen worden. Schwarz-weiße Spruchbänder gegen den DFB (»So sieht also euer Produkt Bundesliga aus«) und die eigene Mannschaft (»Ihr seid also das Versagerteam aus 17 Jahren Profifußball«) verstärkten den Eindruck, einem Fußballbegräbnis statt dem letzten Aufbäumen gegen den Abstieg beizuwohnen.

Selbst nach dem 1:1 der Lausitzer gegen die Hamburger ist durch die gleichzeitige Niederlage Dresdens in Aue drei Spieltage vor Schluss theoretisch der Relegationsplatz 16 für Energie noch drin. Aber der Glaube an das Fußballwunder ist dahin. Zu oft gehörte Durchhalteparolen, zwei Trainerwechsel und teilweise erschreckende Leistungen der Mannschaft hatten die Zuschauer regelrecht immun gegen das gemacht, was ihre Rot-Weißen auf dem Rasen boten. Acht zu null Ecken nach 19 Minuten? Kaum zur Kenntnis genommen, zumal sie allesamt keine Gefahr für St. Paulis Torhüter Philipp Heerwagen brachten. Aues schnelle 2:0-Führung gegen Dresden, vom Stadionsprecher zur Halbzeit verkündet? Mit Schweigen quittiert, es schien die Kraft zu fehlen, nach den letzten Strohhalmen zu greifen. Auf den Rängen wie auf dem Rasen.

Nur in den letzten fünf Minuten war noch einmal jene Atmosphäre zu spüren, die das Stadion der Freundschaft in 17 Jahren Erst- und Zweitklassigkeit für Gästemannschaften zu einem unfreundlichen Ort machten: Ivica Banovic verwandelte in der 86. Minute den berechtigten Elfmeter nach Maiers Foul an Michel und glich die Führung der Hamburger aus der 60. Minute aus, Lennart Thy hatte Energie-Torwart René Renno aus kurzer Distanz getunnelt. Renno stand nach dem Ausgleich im Mittelkreis und trieb seine Mitspieler lautstark nach vorne, in den letzten fünf Minuten spielte Cottbus so, wie Trainer Jörg Böhme vor dem Spiel angekündigt hatte: alles nach vorne, die Mannschaft »würde noch einmal alles raushauen«. Aber fünf starke Minuten reichen nicht, um eine völlig verkorkste Saison zu retten, auch wenn Jurica Buljat in der 92. Minute fast noch das 2:1 für die Cottbuser erzielt hätte. Heerwagen rettete mit einem Reflex, von dem Cottbus-Trainer Jörg Böhme nach dem Spiel sagte, er wisse nicht »ob der Torwart den Ball in seiner Laufbahn noch einmal so halten wird«.

Böhme attestierte seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit ein »sehr, sehr gutes Spiel«, musste aber wie die anderen der knapp über 9000 Zuschauer ein überwiegend harmloses Angriffsspiel seiner Mannschaft beobachten - meist regungslos mit verschränkten Armen am Spielfeldrand. Für emotionale Ausreißer sorgte die Partie trotz der spannenden Schlussphase nicht.

Ein gefühlter Abstieg, nicht dramatisch, weil er sich so lange angekündigt hat: »Wir wollen bis zum Schluss alles geben und das Bestmögliche leisten.« Egal wie die Leistung in den letzten drei Spielen aussieht, die Drittklassigkeit ist trotzdem kaum noch zu verhindern, weiß auch René Renno: »Jeder kann die Tabelle lesen.« Der scheidende Präsident Ulrich Lepsch sieht Energie Cottbus nicht am Abgrund: »Wir sind abgestiegen. Aber der Verein ist grundsolide. Nichtsdestotrotz ist es eine sportliche Katastrophe. Für mich ist die Mannschaft von der Qualität her mit Sicherheit vorne in der zweiten Liga. Allerdings hat sie das nur in den ersten Spielen der Saison gezeigt.«

»Umbruch jetzt und echte Typen holen« - ein letztes Spruchband von der verwaisten Nordwand. Trainer Jörg Böhme gilt gemeinhin als Charaktertyp. Trotzdem ist der Verein auf der Suche nach einem neuen Trainer und Sportdirektor. Für Ulrich Lepsch übernimmt der bisherige Vizepräsident Wolfgang Neubert den Präsidentenposten ab Ende Mai. Lepsch ist in die Suche nach Trainer und Sportdirektor nicht eingebunden, möchte auch keine anderen Funktionen im Verein übernehmen. Die sportliche Zielsetzung für die nächste Saison ist für ihn aber eindeutig die sportliche Wiederauferstehung: »Das Ziel ist ganz klar: Aufstieg.«

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