Spielzeugbahn zum Hauptbahnhof

Bau der S 21 zum Nordring mit Hindernissen / Planer bereiten Provisorium vor

  • Bernd Kammer
  • Lesedauer: 3 Min.
In drei Jahren sollte die S-Bahnverbindung zwischen Hauptbahnhof und Gesundbrunnen fertig sein. Jetzt droht ein Provisorium.

Berlin und seine Verkehrsprojekte: Nach BER, U-Bahnlinie 5 oder der Autobahnverlängerung nach Treptow droht sich auch der Bau der S-Bahnstrecke vom Nordring zum Hauptbahnhof zu verzögern und wesentlich teurer zu werden. Ursprünglich sollte die S 21 genannte Verbindung bereits mit Eröffnung des Hauptbahnhofs 2006 in Betrieb gehen. Doch da Berlin die Strecke zwischenzeitlich ganz auf Eis gelegt hatte, wurden u.a. neben dem Bahnhof einige Vorratsbauten mit errichtet, um später, falls es sich der Senat wieder anders überlegt, nicht noch einmal alles aufbuddeln zu müssen.

Doch diese Vorsorge erweist sich nun offenbar als nicht ausreichend. »Die vorbereiteten Bauwerke entsprechen zum Teil nicht den Vorgaben«, so ein Bahnsprecher. Außerdem hätten die »im Umfeld des Hauptbahnhofs entstandenen neuen Gebäude Auswirkungen auf das Kräftegleichgewicht der Baugruben«. Folge: Die Strecke wird nicht wie geplant 2017, sondern erst 2019 fertig. Um es wenigstens noch ein Jahr eher zu schaffen, denkt die Bahn jetzt über ein Provisorium nach. Die S-Bahnen sollen vorerst nicht in der Tunnelstation neben dem Hauptbahnhof enden, sondern in einem Provisorium unter der Invalidenstraße. Von dort könnten dann lediglich Kurzzüge mit vier Wagen zum Bahnhof Gesundbrunnen pendeln.

Denn die Bahn hat noch ein zweites Problem: Ihr fehlen Wagen, um den bisher geplanten Verkehr realisieren zu können. So sollten umsteigefreie Verbindungen von Waidmannslust und Königs Wusterhausen über Nord- bzw. Südring direkt zum Hauptbahnhof führen. Bei der abgespeckten Variante könnte die Bahn Wagen sparen, Reisende müssten allerdings in Gesundbrunnen umsteigen.

»Solch eine Spielzeugbahn ähnlich der U 55 und bringt überhaupt nichts«, schimpft deshalb Jens Wieseke vom Fahrgastverband Igeb. Am Hauptbahnhof würden sich für die Fahrgäste einige hundert Meter lange Umsteigewege ergeben, und in Gesundbrunnen wäre schon wieder Endstation. Laut Igeb hätte der Kurzbahnbetrieb auch deshalb keinen Nutzen, weil zwischen Hauptbahnhof und Gesundbrunnen ab 2019 voraussichtlich auch zusätzliche Regionalzüge verkehren werden. »Unter diesen Bedingungen wäre das Projekt viel zu teuer«, so Wieseke.

Der Fahrgastverband schätzt, dass der provisorische Halt etwa 20 Millionen Euro zusätzlich kosten würde. Bisher ist das Projekt mit 227 Millionen Euro veranschlagt. 60 Prozent davon übernimmt der Bund, den Rest zahlt Berlin. Die Zusatzkosten würden wahrscheinlich an Berlin hängen bleiben. In der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wollte man sich dazu gestern nicht äußern. Es gebe Gespräche mit der Bahn, um eine Lösung zu finden, heiß es lediglich.

Der Igeb fordert, auf das Provisorium zu verzichten und mit den Geldern die Station Perleberger Brücke zu errichten. Die war ursprünglich vorgesehen, wurde aber aus Kostengründen gestrichen. »Die 20 Millionen Euro würden für die Bahnsteige an der Verbindung Richtung Wedding reichen und wären sinnvoll investiert, um die dort entstehende Europa-City an den Nahverkehr anzuschließen«, sagt Wieseke.

Noch völlig unklar ist, wie sich die Verzögerung auf den später geplanten Weiterbau der S 21 bis zum Potsdamer Platz auswirken wird. Erst mit dieser durchgehenden Verbindung und Anschluss an das bestehende Netz auch im Süden aber macht die neue Linie richtig Sinn.

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