Kein Kaviar mit Kolja!
Bundesamt für Verfassungsschutz warnt: Putins Geheimdienst baggert ahnungslose Deutsche an
Russlands Geheimdienst wirbt in Deutschland gezielt Informanten aus Politik und Wirtschaft an, zitierten Agenturen in den Ostertagen aus der »Welt am Sonntag«. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, bestätigte dem Blatt: »Für kaum einen Geheimdienst ist die nachrichtendienstliche Aufklärung in Deutschland so wichtig wie für den russischen.«
Wow! Ein dickes Ei! Das muss man erst einmal verdauen ... Dem Russen als solchem schlechthin ist also auch jenseits der Ukraine einfach nicht zu trauen.
Im Grunde ist die jetzt aufgetischte Geschichte eine aufgepeppte Kurzfassung jener Spionagebroschüre, die der deutsche Inlandsgeheimdienst vor einigen Tagen vorgelegt hat. In der ist die Gefahr jedoch noch aufgeteilt, in die russische und die chinesische. Letzteres kommt gerade nicht so gut, wo der Vizekanzlers samt 100 Wirtschaftsbossen auf Peking-Tour ist. Also muss Putins KGB-Nachfolger SWR als alleiniger Sündenbock herhalten. Der versuche gezielt, Referenten und wissenschaftliche Mitarbeiter von deutschen Politikern, Stiftungen und Ministerien anzuwerben, um so an sensible Informationen zu gelangen, heißt es beweislos. Doch bestimmt ist da was dran, denn der Unionsabgeordnete Roderich Kiesewetter twitterte am Sonntag umgehend: »Leider wahr!«
Woher seine Besorgnis rührt, hatte der Ex-Generalstabsoberst, der im NSA-Untersuchungsausschuss sitzt, bereits am Vortag mitgeteilt: Der Vertrauensverlust gegenüber den USA sei durch den NSA-Abhörskandal so groß, dass deutsche Unternehmer lieber mit den Russen Handel trieben.
So geht es nicht, schon gar nicht in Sanktionszeiten! Nun sind die Fronten wieder geordnet. Dank der SWR-Story. Und die geht laut dem deutschen Spionageabwehrchef Burkhard Even so: Putins Handlanger »analysieren sehr genau, wer für sie interessant sein könnte«. Als normale Botschaftsangestellte und mit ihrem echten Namen freundeten sie sich mit ahnungslosen Zielpersonen an, um sie später abzuschöpfen.
Wie erkennt man, ob man Zielperson der Russen ist? Die »Welt am Sonntag« verkürzte leider alles auf Restaurant- und Barbesuche fern der Botschaft. Doch die erwähnte Verfassungsschutzbroschüre hilft, den Blick zu weiten: Der Spion ist telefonisch nicht erreichbar. Obwohl er sich als Mitarbeiter einer Botschaft oder konsularischen Vertretung ausgibt, möchte er dort nicht kontaktiert werden. Treffen finden immer an neu- tralen Orten statt. Und: Der Spion »macht Geschenke oder übernimmt regelmäßig die Restaurantrechnung«.
Ups! Da sind die Verfassungsschutzkollegen glatt im Nachteil. Die gerade einmal »amtlich geheimgehaltenen« 300 000 Euro »Auslagenerstattung für Beschaffer« in diesem Jahr reichen gerade für »Pommes rot-weiß«. So bleibt nur der staatsbürgerliche Appell: Geht nie mit Kolja essen! Denn bei Kaviar und so lenkt der »scheinbar beiläufig« das Gespräch »auf Themen, die für einen Nachrichtendienst interessant sein könnten« - schreibt der Verfassungsschutz, nachdem er kurz zuvor feststellte, dass Agenten sich für alles interessieren. Und tatsächlich: Folgt man den Abbildungen in der knapp 30-seitigen Maaßen-Merkschrift, interessieren sich fremde Spione sogar für die Starfighter-Jets der Bundeswehr. Der letzte flog 1991.
Nun ist der Strafrechtsparagraf 99 »geheimdienstliche Agententätigkeit« nicht etwa nur für Russen verfasst. Aber natürlich macht es politisch einen Unterschied, ob SWR oder NSA unsere bürgerlichen Grundrechte missachten. Die Broschüre vermerkt aber auch: »Heutzutage fällt es oft schwer, in der Welt der Nachrichtendienste zwischen ›Freunden‹ und ›Feinden‹ zu unterscheiden.«
Weil das so ist, fragte der Linksfraktionsvize Jan Korte unlängst: Wer sind unsere »Partnerdienste«, wer die »befreundeten Partnerdienste«? Von denen redet die Regierung immer wieder. Welche Kriterien liegen dieser Bewertung zugrunde? Antwort: »Eine solche Qualifizierung ausländischer Dienste, die mit einer gleichsam förmlichen Einstufung verbunden ist, existiert indes nicht ...« Der Begriff »Partnerdienst« sei eine »sprachliche Umschreibung einer im jeweiligen Verwendungszusammenhang relevanten Zusammenarbeitsbeziehung«. Korte dachte ferner, dass die Kooperation mit ausländischen Diensten auf staatlichen Verträgen basiert. Er musste zur Kenntnis nehmen: »In keinen bi- oder multinationalen Abkommen, Verträgen und Vereinbarungen, die die Bundesrepublik Deutschland seit dem Jahr 2000 geschlossen hat, ist die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste der jeweiligen beteiligten Staaten vereinbart oder geregelt worden.«
Muss man sich da wundern, wenn Washington verblüfft reagierte, als die durch die NSA-Ausspähaffäre unter Druck geratene deutsche Regierung um ein »No-Spy-Abkommen« bettelte? Aber die Debatte ist ja vom Tisch. Auf dem steht jetzt wieder in gewollter Ordnung Kaviar - mit dem Agent Kolja unbescholtene deutsche Bürger ins Verderben locken will.
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