Gott, die Kirche und das Wahlrecht
In Thüringen darf ein langjähriger Mitarbeitervertreter nicht wieder kandidieren - letztlich aus weltanschaulichen Gründen
Wenn in der kommenden Woche in Einrichtungen der Evangelischen Kirche die Amtszeit der Mitarbeitervertretungen (MAV) endet und die neu gewählten Gremien ihr Mandat antreten, dann muss mit Uwe Schenke ein langjähriger engagierter Interessenvertreter draußen bleiben. Seit 1998 arbeitet Schenke als Ergotherapeut beim Ökumenischen Hainich Klinikum gGmbH im thüringischen Mühlhausen, einer diakonischen Einrichtung mit über 1100 Beschäftigten. Lange Jahre war er auch Mitarbeitervertreter, eine erneute Kandidatur blieb ihm letztlich aus weltanschaulichen Gründen verwehrt.
Schenke gehört wie die Mehrheit der 2,2 Millionen Thüringer keiner Kirche oder Religionsgemeinschaft an. Im Winter hatte ihm die Klinikleitung mitgeteilt, dass er als Beschäftigter zwar seine MAV-Vertreter wählen dürfe, bei den Wahlen im Frühjahr 2014 jedoch vom passiven Wahlrecht ausgeschlossen sei und daher nicht wieder kandidieren dürfe. Der kirchliche Arbeitgeber beruft sich auf § 10 des Mitarbeitervertretungsgesetzes (MVG). Nach dieser als »ACK-Klausel« bekannten Regelung sind in kirchlichen Einrichtungen alle Wahlberechtigten wählbar, die »am Wahltag der Dienststelle seit mindestens sechs Monaten angehören und Glieder einer christlichen Kirche oder Gemeinschaft sind, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland angeschlossen ist«. Eine anderweitige Regelung, also Wählbarkeit auch für Mitarbeiter, die nicht den Kirchen angehören, »bleibt den Gliedkirchen unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten vorbehalten«, heißt es im Gesetz einschränkend.
Vorstöße und Proteste von Beschäftigten, die auf eine großzügigere Auslegung dieser Klausel drängten, um eine erneute Kandidatur Schenkes zu ermöglichen, blieben erfolglos. »Nun gehöre ich keiner durch die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) vorgegebenen Religionsgemeinschaft an, habe aber mein Wirken als Beschäftigter und Vertreter der Mitarbeiter auch im Interesse des Unternehmens durchgeführt«, so Schenke gegenüber »nd«. Ihm leuchte es nicht ein, »dass kirchliche Einrichtungen jährlich über 20 Milliarden Zuschüsse des Staates und der Krankenkassen erhalten und auf der anderen Seite hier ein in Europa einmaliges verkrustetes und fest zementiertes Arbeitsrecht im 21. Jahrhundert weiter besteht«.
Dabei ist die antiquierte Regelung im deutschen Kirchenrecht schon längst auch in Kirchenkreisen umstritten. So hinterfragte Oberkirchenrat Eberhard Grüneberg, Chef des Diakonischen Werkes Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland, schon vor einigen Jahren bei einer kirchlichen Fachtagung die ACK-Klausel. Nach etlichen Übernahmen von Einrichtungen aus dem staatlichen und kommunalen Bereich durch kirchliche Träger gehörten viele betroffene Beschäftigte keiner Kirche an, erklärte der Kirchenmanager in seinem Vortrag.
Es sei daher »nicht nur ganz unvernünftig und der Dienstgemeinschaft in diesen besagten Einrichtungen abträglich, wenn nichtkirchliche Mitarbeitende von der Mitarbeit aus der MAV ausgeschlossen würden«, so Grüneberg: »Es wäre praktisch gar nicht möglich, mit der Voraussetzung der ACK-Klausel überhaupt eine gute und allgemein akzeptierte MAV zu bilden.«
Als weiteres Argument für eine Aussetzung der ACK-Klausel verweist Schenke auf das allgemeine Wahlrecht, immerhin eine tragende Säule der Demokratie. »Dies sollten wir auch innerhalb kirchlicher Einrichtungen glaub- und lebhaft machen«, so seine Überzeugung. Mit seinem Ausschluss von der Kandidatur sei auch das als Antidiskriminierungsgesetz bekannte allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verletzt, das eine Benachteiligung aus Gründen der Religion oder Weltanschauung verhindern solle. Schließlich habe auch das Bundesarbeitsgericht eine sorgfältige Abwägung zwischen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht und den Interessen der Arbeitnehmer angemahnt, betont Uwe Schenke.
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