Eine Überlegenheit, die keine war
Der FC Bayern verliert gegen Real Madrid 0:1, weil er den Schlüssel zum Öffnen von Abwehrriegeln verloren hat
Wahiba Ribéry ist häufig dabei auf Champions-League-Reisen. Es war also kein Zufall, dass sie ihren Mann nach Madrid begleitet hat. Aber dieses Mal tat es Franck Ribéry vermutlich besonders gut, eine vertraute Person an seiner Seite zu haben, nicht allein zu sein nach einem so schwierigen Fußballabend. Die gesamte Mannschaft des FC Bayern München hatte sich das Halbfinalhinspiel am Mittwoch etwas anders vorgestellt, aber für Ribéry war der Auftritt gegen Real Madrid eine besonders große Ernüchterung.
Nicht allein, dass Cristiano Ronaldo, der bei der Wahl zum Weltfußballer im Januar ihm vorgezogen worden war, bei seinen seltenen Ballkontakten für eine Menge Wirbel sorgte. Doch der Franzose selbst hatte keine einzige herausragende Szene, immer wieder lief er sich fest. In der 72. Minute erlöste ihn Trainer Pep Guardiola von diesem Spiel, in das er nie hineingefunden hatte, so wie in die in den vergangenen Wochen schon häufiger. »Nächste Woche werden wir mit Franck richtig angreifen. Er hat so viele gute Spiele für uns gemacht«, verteidigte ihn Kollege Arjen Robben.
Während Ribéry über seine Krise zu grübeln scheint und an diesem Abend nicht mehr öffentlich reden wollte, versuchte die Mannschaft, Zuversicht zu verbreiten und sich nicht lange aufzuhalten mit der 0:1-Niederlage im Estadio Santiago Bernabéu. Karl-Heinz Rummenigge erzählte, er habe nach Spielende auf der Ehrentribüne »nicht das Gefühl gehabt, dass die Verantwortlichen von Real Madrid glücklich nach Hause gegangen sind.« Der Vorstandsvorsitzende ist sich sicher, sein FC Bayern werde im Rückspiel eine Qualität zeigen, »die ein bisschen an eine Hölle erinnert«, und die Mannschaft doch noch das Finale am 24. Mai in Lissabon erreicht. In München, so prognostizierte er in seiner ungewöhnlich markigen Mitternachtsrede, »brennt der Baum« am kommenden Dienstag.
Dazu muss Pep Guardiola aber jenen Schlüssel wiederfinden, den seine Mannschaft vor ein paar Wochen verloren zu haben scheint. Den Schlüssel, der die von gegnerischen Abwehrspielern versperrte Tür in den Strafraum öffnet. »Wir müssen im Rückspiel den Bock umstoßen, wir brauchen den gnadenlosen Abschluss«, sagte Sportvorstand Matthias Sammer. Wie gegen Manchester, wie schon ein paar Mal in der Bundesliga, schaffen es die Münchner nicht mehr, ein hochkonzentriertes Abwehrbollwerk auszuspielen. Dass Real so defensiv auftrat, mag den einen oder anderen beim FC Bayern überrascht haben, nicht jedoch Guardiola: »Madrid spielt immer so. Sie lassen einen spielen und wenn sie den Ball erobert haben, rennen sie los. Man kann sie fast nicht aufhalten.«
In Madrid sprach fast alles für den FC Bayern: Ballbesitz, Eckballverhältnis, Zweikampf- und Passquote. »Es gab, glaube ich, selten eine Mannschaft, die so dominant hier gespielt hat in Madrid«, sagte Toni Kroos. Doch die Statistik gaukelt eine Überlegenheit vor, die es in der Realität nicht gab. Nach dem Treffer von Karim Benzema (19.) hatten die Spanier noch einige glänzende Chancen, die allesamt besser waren als die aussichtsreichsten der Münchner in der Schlussphase durch die eingewechselten Thomas Müller und Mario Götze. »Manchmal hätten wir noch einen Tick schneller spielen müssen«, weiß Robben.
Die Münchner lassen im Mittelfeld die Dynamik vermissen, die in Verbindung mit dem Kombinationsspiel lange dazu führte, dass die Gegner irgendwann den Ball aus den Augen verloren, und sich eine Lücke bot. Eine Erklärung dafür liegt in der Besetzung der Zentrumspositionen mit Toni Kroos, Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm. Es fehlt ein Beschleuniger, so wie es Thiago sein kann. Der Spanier war bis zu seiner Verletzung Ende März mit seiner Ballsicherheit und seinem Tempo oftmals der Dosenöffner gegen arg defensive Mannschaften gewesen. Doch kehrt er nach seinem Innenbandriss im Knie frühestens zum Pokalfinale Mitte Mai zurück. Das könnte aber schon das letzte Spiel der Bayern in dieser Saison sein.
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