Linke kritisiert: 837.000 Erwerbslose nicht mitgezählt

Bundesgeschäftsführer Höhn: Bundesregierung vertraut nur »auf gutes Wetter« - Zimmermann: 1,3 Millionen, die trotz Arbeit Hartz IV beziehen / Sozialverband SoVD: Alarmierender Anstieg der Zahl arbeitsloser Menschen mit Behinderung

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Die Zahl der offiziell registrierten Erwerbslosen in Deutschland ist im April stärker als üblich gesunken. Die Arbeitsagenturen registrierten 2,943 Millionen Jobsuchende, wie die Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch in Nürnberg mitteilte. Das sind 111.000 Erwerbslose weniger als im März und 77.000 weniger als vor einem Jahr. Ein Rückgang sei nach den Wintermonaten normal, erläuterte die Bundesagentur. In diesem Jahr falle er aber relativ kräftig aus. »Grund hierfür sind vor allem die guten konjunkturellen Rahmenbedingungen«, sagte BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise. Die Arbeitslosenquote sank gegenüber dem Vormonat um 0,3 Punkte auf 6,8 Prozent. »Die Perspektiven von Arbeitslosen verbessern sich, nachdem diese in den vergangenen zwei Jahren nur wenig vom Beschäftigungsaufbau profitiert hatten«, hieß es.

Der offiziellen Statistik setzte die Linkspartei indes andere Zahlen entgegen. So seien fast 837.000 Erwerbslose nicht mitgezählt worden, heißt es. Die tatsächliche Arbeitslosigkeit liege im April bei fast 3,8 Millionen. So würden etwa ältere Arbeitslose, Ein-Euro-Jobber und Menschen in beruflicher Eingliederung oder Weiterbildung nicht gezählt. Der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Matthias Höhn, sagte, man könne sich über den saisonbedingten Rückgang der Arbeitslosenzahlen »freuen und es dabei belassen. Muss man aber nicht, darf man nicht«. Die Bundesregierung und SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles würden »fortgesetzt auf gutes Wetter« vertrauen, das sei aber zu wenig, so Höhn. »Was an politischen Maßnahmen kommt, hat mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, die Menschen in existenzsichernde Arbeit bringt, nichts zu tun.«

Der Linkenpolitiker erinnerte an die geplante Verschärfung der Hartz-IV-Sanktionen. »Statt in Weiterbildung, Fortbildung und die Aussicht auf Berufsabschlüsse zu investieren, um Langzeitarbeitslosen Chancen zu eröffnen, wird den Betroffenen das Grundrecht auf Existenzsicherung und Teilhabe weiter beschnitten«, so Höhn. Seine Partei sehe einen Mindestlohn von 10 Euro ohne Ausnahmen sowie die Eindämmung von von prekärer Beschäftigung und Leiharbeit weiterhin als »dringend notwendig« an. Auch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann, erneuerte die Forderung nach einem ausnahmslosen Mindestlohn. »Es gibt 1,3 Millionen Menschen, die trotz Arbeit Hartz IV beziehen«, sagte die Vizevorsitzende der Fraktion. »2,63 Millionen Menschen haben einen Zweitjob, ein Plus von 45.000 gegenüber dem Vorjahr. Viele von ihnen würden durch die geplanten Ausnahmeregelungen durch den Rost fallen. Die Regierung sollte mögliche Schlupflöcher zur Umgehung des Mindestlohns schließen, statt solche zu schaffen«.

Derweil hat der Sozialverband SoVD auf den »alarmierenden Anstieg der Zahl arbeitsloser Menschen mit Behinderung« verwiesen und die Maßnahmen der Großen Koalition für einen inklusiven Arbeitsmarkt als zu kurz greifend kritisiert. »Ohne Nachbesserungen geraten behinderte Menschen noch stärker ins berufliche Abseits«, warnte SoVD-Präsident Adolf Bauer am Mittwoch. »Die aktuellen Daten zeigen deutlich, wie sich die Situation am Arbeitsmarkt zuspitzt. Denn der Jubel über den allgemeinen Arbeitslosenrückgang übertönt, dass die Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter seit Jahren steigt«, so Bauer. Er forderte zudem spürbare Maßnahmen für eine verbesserte Teilhabe am Arbeitsleben. Nötig seien »verbindliche Gesetzesvorgaben, um der problematischen Beschäftigungssituation behinderter Menschen entgegenzuwirken«. Agenturen/nd

Nicht mitgezählte Erwerbslose

Älter als 58, beziehen Arbeitslosengeld I und/oder ALG II: 192.490
Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten): 89.036
Förderung von Arbeitsverhältnissen: 8.393
Fremdförderung: 95.718
Beschäftigungsphase Bürgerarbeit: 23.454
berufliche Weiterbildung: 162.535
Aktivierung und berufliche Eingliederung (z. B. Vermittlung durch Dritte): 163.534
Beschäftigungszuschuss (für schwer vermittelbare Arbeitslose): 4.204
Kranke Arbeitslose (§126 SGB III): 97.604

Quelle: Linkspartei

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