Demut statt Wehmut

Schwimmer zeigten bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin viele gute Leistungen

  • Andreas Morbach, Berlin
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Enttäuschungen bei Olympia und WM wollen die Schwimmer bei der Heim-EM für Erfolge sorgen. Drei Monate zuvor überzeugten bei den nationalen Titelkämpfen in Berlin Routiniers und Rückkehrer.

Rio de Janeiro ist zwar weit und Olympia 2016 am Fuße des Zuckerhuts noch viel weiter weg, aber ganz ohne Michael Phelps ging es am Schlusstag der nationalen Schwimm-Meisterschaften doch nicht. Denn wie fast immer in den letzten zehn Jahren zeigten Deutschlands Wassertreter beim Qualifikationstreffen - diesmal für die EM im August in Berlin - eine Reihe guter Leistungen, die ihnen Lust auf mehr machen. Vor allem die Männer überzeugten, während bei den Frauen erhebliche Lücken klaffen.

Als Gutelaunebär krabbelte am Sonntag zum Beispiel Steffen Deibler aus dem Becken: Mit der weltweit zweitschnellsten Zeit über 100 Meter Schmetterling in diesem Jahr (51,86 Sekunden) - und mit einer transatlantischen Botschaft für den jüngst in den Pool zurückgekehrten Mega-olympioniken Phelps. »Ich bin 2012 gegen ihn geschwommen, und wir können das in Rio gerne wiederholen«, signalisierte der Mann vom Hamburger SC seine grundsätzliche Bereitschaft zu einem olympischen Neuaufguss in Brasilien.

Vor zwei Jahren an der Themse flog Holzplaketten-Spezialist Deibler (26) beim Phelps-Sieg über zwei Bahnen Schmetterling 37 Hundertstelsekunden an Bronze vorbei. Weil er auch bei der WM im Vorjahr, als Weltjahresbester angereist, nur Vierter wurde, wäre der ehrgeizige Oberschwabe (»Ich habe große Lust, aus den 51,8 Sekunden bis August eine deutlich bessere Leistung zu machen«) schon froh, wenn für ihn beim kontinentalen Heimspiel in dreieinhalb Monaten die erste Einzelmedaille auf der langen Bahn herausspränge.

Die Niveau in Europa auf den beiden kurzen Schmetterlingsstrecken ist enorm hoch - und am Samstag drehte im Finale über 100 Meter Freistil gar ein auf dieser Strecke Ungeübter Deibler eine lange Nase: Paul Biedermann, der bei seiner Rückkehr auf die Schwimmbühne am Freitag bereits über 400 Meter Freistil gesiegt hatte - und am Sonntag erwartungsgemäß auch seine Spezialstrecke, die 200 Meter, gewann. »Am Ende war es sehr hart, ich habe in den letzten Tagen doch viele Körner gelassen«, schnaufte Biedermann und meinte: »Insgesamt bin ich mit meinen Leistungen in Berlin sehr zufrieden, bei der EM sprechen wir uns dann wieder.«

Mitte Juli steht noch ein Überprüfungswettkampf in Essen an, der in erster Linie den üblichen Einbruch der DSV-Kandidaten beim Saisonhighlight verhindern soll. Auch der allzeit muntere neue Hoffnungsträger des Verbandes, Bundestrainer Henning Lambertz, konnte diese fatale Tendenz bislang nicht stoppen: Mindestens 70 Prozent der DSV-Schwimmer sollten bei der WM in Barcelona schneller sein als zuvor in Berlin - am Ende bekamen nicht einmal 20 Prozent eine persönliche Steigerung hin.

Biedermann gehörte nicht zu diesem Grüppchen: Er legte 2013 krankheitsbedingt eine Wettkampfpause ein - und kam in der freien Zeit auch ins Grübeln. »Da steckte viel Arbeit und Trainingsaufwand dahinter - und auch Zweifel waren dabei«, gestand er. Denn: »Man fragt sich dann schon: Was machst du hier eigentlich noch?«

Er fragt sich vor allem, ob er bei der EM - Ziel des DSV sind 14 bis 19 Medaillen - über 400 Meter Freistil starten soll. »Es ist legitim, wenn ein Paul Biedermann sagt, er tritt nur an, wenn er um die Medaillen mitschwimmen kann«, sagt der Bundestrainer. »Ich hoffe, dass wir diese Entscheidung in einem gemeinsamen Prozess und für Deutschland fällen können.« Denn der Strauß guter Vorergebnisse, neben Deibler und Biedermann u. a. vorgelegt von Marco Koch, Hendrik Feldwehr oder Dorothea Brandt, soll nach der Heim-EM nicht wieder welker Wehmut gewichen sein.

Als Mittel gegen die traditionelle Tristesse hat Biedermann für sich die Demut entdeckt. Eigentlich spezialisiert auf die mittleren Kraulstrecken, nahm er, weil die Weltbesten auch da inzwischen vom Start weg Dampf machen, die 100 Meter Freistil in sein Programm auf. »Ich muss mich der Weltspitze anpassen«, kommentiert er den Schritt - »und nicht umgekehrt.«

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