Graustufen auf braunem Grund

Die Künstlerkolonie Worpswede südlich von Bremen arbeitet mit einer Ausstellung ihre Rolle in der NS-Diktatur auf

  • Berit Böhme, Worpswede
  • Lesedauer: 3 Min.
Lange Zeit scheute man in Worpswede die Auseinandersetzung mit der braunen Vergangenheit. Doch zum 125. Geburtstag hinterfragt die Künstlerkolonie umfassend ihre Rolle im NS-Kunstbetrieb.

Acht Jahrzehnte nach Beginn der Nazi-Herrschaft hat sich Worpswede in Niedersachsen auf die Suche nach braunen Verstrickungen in der Künstlerkolonie gemacht. Erste Ergebnisse sind ab 11. Mai im Rahmen der Worpsweder Jubiläumsausstellung »Mythos und Moderne« zu sehen. Zusammengetragen wurden sie im Laufe eines Jahres von der Kunsthistorikerin Katharina Groth und dem Kulturwissenschaftler Björn Herrmann. In Archiven, Privatsammlungen und Depots stießen sie auch auf manch verschollen geglaubtes Zeugnis der NS-Regimekunst.

Die Kuratoren möchten ein differenziertes Bild des »durchgeregelten nationalsozialistischen Kunst- und Kulturbetriebs« zeichnen. »Man kann den Zeitraum 1933 bis 1945 nicht isoliert betrachten«, sagt Björn Herrmann. »1933 sind keine braunen Marsmännchen in Worpswede gelandet. Es hat mit den Verwerfungen der Weimarer Republik angefangen.« In den 1920er Jahren habe es in Worpswede neben etablierten Landschaftsmalern eine moderne Kunstszene gegeben, »die 1933 brutal abgewürgt worden ist«.

»Es gibt immer Graustufen. Das ganze Spektrum zwischen Überleben, Anpassung und Mitmachen«, erklärt Katharina Groth. Manche Künstler hätten »aus Überzeugung«, andere »aus wirtschaftlicher Notwendigkeit mitgemacht«. Unter den gemalten Anbiederungsversuchen seien »grauenvolle, heroisierende Werke«, sagt Herrmann. Die Motive reichten vom Reichsarbeitsdienst bis zur Gaukultstätte Stedingsehre (Landkreis Oldenburg), »einer Arena für Propaganda-Freilichtspiele«.

»Belege für Widerstand haben wir nicht gefunden«, sagt Herrmann. In Worpswede habe es aber Fälle »indirekter Arbeitsverbote« gegeben. Unliebsamen Künstlern seien die Bezugsscheine für Malmittel verweigert worden. »Jeder Pinsel, jede Farbe musste beantragt werden«, sagt Groth. Betroffene wie Albert Schiestl-Arding malten zeitweise mit Asche. Offiziell mit einem Arbeitsverbot belegt worden sei nur Tetjus Tügel.

Eine wichtige Rolle im NS-Kunstbetrieb spielte Fritz Mackensen. Der Mitbegründer der Künstlerkolonie und Lehrer von Paula Modersohn-Becker habe mit »Bauern, Torfkähnen und hohen Himmeln eine Schiene bedient, die sofort Anklang fand«, sagt Groth. Mackensen wurde 1933 zum Leiter der Nordischen Kunsthochschule Bremen ernannt. Als Kurator der »Niederdeutschen Malertage« in den Jahren 1938/39 habe er voll hinter dem Credo von »Blut und Boden« gestanden. In einer Privatsammlung fanden die Kuratoren Fragmente aus Mackensens Gemälde »Drei Generationen«. Der Künstler hatte es 1938 beim Wettbewerb »erbgesunde Familie« eingereicht, später wurde es unter ungeklärten Umständen zerschnitten. Mackensen stehe auch auf der »Gottbegnadetenliste der 100 wichtigsten Künstler des Dritten Reiches« - neben Namen wie Heinz Rühmann und Wilhelm Furtwängler. Nach Kriegsende zogen die Briten die Protagonisten nur moderat zur Verantwortung. Mackensen und andere NSDAP-Mitglieder erhielten ein halbes Jahr Ausstellungsverbot. »Der Ausstellungsbetrieb ist schnell wieder angelaufen.«

»Kunstwerke, die den Nationalsozialismus verherrlichten, wurden zentral gesammelt«, sagt Herrmann. »Die schlimmsten Werke wurden in die USA verfrachtet.« Die Propagandabilder gingen in den 1980er Jahren zurück an das Historische Museum Berlin. Die Porträts von »Führungskräften in Uniform« seien weiterhin in der »US Army War Art Collection« unter Verschluss. Darunter auch Mackensens Porträt des NS-Funktionärs Konstatin Hierl. Im Internet stieß Herrmann auf vereinzelte Aufnahmen aus der Army Collection, in Umlauf gebracht von Anhängern der rechtsradikalen Szene.

»Hätten wir mehr Zeit gehabt, hätten wir mehr gefunden«, ist Groth überzeugt. »Wir hoffen, dass wir einen Anstoß geben und weitere Kollegen animieren, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.« Am 16. August ist in Worpswede ein Symposium geplant. dpa/nd

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