Rechtsalternative Gewaltfantasien

AfD setzt »die Antifa« mit Nazis gleich. Parteifans rufen zur »Notwehr« auf

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch in NRW will die AfD sich als seriöse Partei inszenieren. Doch Nazi-Vergleiche, Ex-Republikaner, Pistolenzücker und Gewaltfantasten stören das Bild.

Dass die Alternative für Deutschland sich gerne und meist wahrheitswidrig als Opfer inszeniert - es hat sich mittlerweile herumgesprochen. Nun haben sich auch Milliarden Elektronen gegen die Partei verschworen: Die Ladungsträger streikten, verweigerten die Bewegung, profaner gesprochen: Es floss kein Strom, und darum gingen Donnerstagabend Licht und Lautsprecher in der Stadthalle Wattenscheid aus, wo AfD-Bundeschef Bernd Lucke vor mehreren hundert potenziellen Wählern auf der zentralen Wahlkampfauftaktveranstaltung NRWs für die Europawahl sprach und seine Partei wieder einmal als Opfer »der Antifa« darstellte.

Tags darauf kursierte im Web eine Erklärung der vermutlich Verantwortlichen: Der Wattenscheider Stromausfall sei nur ein Anfang, heißt es auf dem Portal bo-alternativ.de: »Wir wollen der ganzen AfD den Stecker ziehen!« Die Wahlkampfveranstaltung wurde von der Partei, der ein Europawahlergebnis von sechs bis sieben Prozent prognostiziert wird, trotzdem als voller Erfolg gewertet.

Mit organisiert wurde das Event höchstwahrscheinlich - eine nd-Anfrage dazu blieb am Freitag unbeantwortet - von Marco Trauten, Essener Vorsitzender und bedeutsame regionale Figur im Europawahlkampf der Partei. Ein Mann von medialem Interesse, neigte er doch zu steilen Thesen. Trauten setzte einen angeblich »staatlich verordneten Antifaschismus« mit der Judenverfolgung der Nazis gleich, konkret mit dem »Kauft nicht beim Juden«-Boykott vom März 1933. Beinahe zeitgleich rief Trautens rheinland-pfälzischer Parteifreund Bernd Jacks alle AfDler dazu auf, »wieder den Stern« zu tragen und postete dazu auf seiner Facebook-Seite einen Judenstern mit AfD-Zeichen.

Die AfD-Landeschefs von NRW und Rheinland-Pfalz sahen sich Mitte der Woche gezwungen, ob dieser »völlig unangemessenen« Vergleiche einen Entschuldigungsbrief an den Zentralrat der Juden in Deutschland zu schreiben. Der Bundesvorstand habe das Gespräch mit Trauten und Jacks gesucht. Nun wolle man in internen Schulungen darüber aufklären, dass Nazi-Vergleiche »bei der Partei(mit)arbeit« tunlichst zu vermeiden seien.

Gleich sechs ehemalige führende »Republikaner« kandidieren derzeit auf der AfD-Liste für einen Sitz im Rat der Stadt Essen. Kritik wies der lokale Parteichef und Spitzenkandidat Trauten als gezielte Stimmungsmache linksradikaler Autonomer zurück. Die Ex-Reps seien zuverlässig, engagiert und wiesen eine freiheitlich-demokratische Haltung auf, zeigte sich der Endvierziger überzeugt. Zugleich wettert er auf seiner Facebook-Seite - garniert mit einem grünen Hakenkreuz - gegen »grüne Nazis«. Gemeint ist die grüne Partei.

Auf der Facebook-Seite des Landesverbandes NRW wird derweil dazu aufgerufen, »die antifa als terroristische Organisation« zu bekämpfen. Ein Freund der Partei behauptet, »linke Gewalt« werde »von Teilen der Politik gewollt, geduldet und gedeckelt«. Deswegen werde »es NIE zu einer Reaktion von Politik und Justiz« kommen. »Notwehr«, so ergänzt ein weiterer Fan, sei möglich und geboten. »Abgerichteten Schutzhund vor Ort haben. Pulverfeuerlöscher und präparierte Besen!«, fordert ein weiterer Kommentator. Er ergänzt: »Nicht aufgeben, kämpfen und siegen!«

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.