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Wie fällt das Urteil über den Berliner Parteitag der Linken in den Medien aus? Ein kleiner Überblick
Stefan Reinecke kritisiert in der »tageszeitung«: Es gebe »in deutschen Medien mehr als in der hiesigen Politik hitzköpfige Putin-Beschimpfer, die markig nach Wirtschaftsblockaden rufen und unfähig sind, auch nur einen selbstkritischen Gedanken über die Rolle der Europäischen Union zu fassen. Oder russische Sicherheitsinteressen ernst zu nehmen. Die Linkspartei ist nicht die Alternative zu den Scharfmachern. Sie ist ihr seitenverkehrter Spiegel.« Mehr hier
In der »jungen Welt« sieht Andreas Wehr eine Schwächung linker Positionen in der Partei: »Riexinger wurde zwar in Göttingen als Parteilinker gewählt, doch unmittelbar danach hat er die Agenda des rechten Flügels übernommen, und die Parteilinke hat das toleriert. (...) Wenn es dennoch keine Kritik von links am Kurs der Parteivorsitzenden gibt, so liegt das vor allem an der lähmenden Angst vor einer Rückkehr der Flügelkämpfe. Es liegt aber auch an der Profil- und Harmlosigkeit einstmals kritischer Kräfte in der Partei, etwa der Sozialistischen Linken.«
Die »Nordwest-Zeitung« kommentiert den Parteitag unter anderem mit den Worten: »Dem Betrachter von außen stellen sich dennoch einige Fragen. Wo etwa bleiben die politischen Initiativen der nunmehr größten Oppositionspartei? Nur die Verurteilung der Politik von Schwarz/Rot im Ukraine-Konflikt kann es nicht gewesen sein. Gute Parteivorsitzende müssen Akzente setzen. Allein mit der Befriedung innerparteilicher Flügelkämpfe ist kein Staat zu machen.«
Die »Lausitzer Rundschau« fragt sich, »wie wird sich die Linke weiter entwickeln? Bei den tatsächlichen Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger lassen sich keine Antworten darauf finden. Gewiss, beide haben durchaus Beachtliches zustande gebracht. Seit ihrem Amtsantritt vor zwei Jahren geht die Linke deutlich friedfertiger mit sich selbst um. (...) Aber die Konflikte im ewigen Spannungsfeld zwischen Opponieren und Regieren sind deshalb nicht gelöst. Der Frieden bei den Linken wurde auch dadurch erkauft, dass irgendwie jeder ein bisschen machen kann, was er will. (...) Sich lediglich am Durchschreiten des tiefen Tals zu berauschen, wie es Kipping und Riexinger am vergangenen Wochenende getan haben, ist eben noch kein politischer Geländegewinn.«
In der »Mitteldeutschen Zeitung« heißt es unter anderem, »allerdings gehen der Linken in dem Maße die Themen aus, in dem die Große Koalition soziale Geschenke verteilt. Es ist zwar richtig, dass der Mindestlohn ohne Gysi und Co. nicht eingeführt werden würde. Wähler honorieren aber keine Verdienste, sondern fragen nach der Zukunft. Mit ihrem Nein zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr hat die Partei wiederum ein Alleinstellungsmerkmal. Doch es erstickt jede Koalitionsoption mit SPD und Grünen.«
Die GenossInnen bestätigen wie erwartet Katja Kipping und Bernd Riexinger als Spitze. Doch so harmonisch wie geplant verlief der Parteitag nicht, berichtet Stefan Reineck in der »Tageszeitung«. Mehr hier
»Auf ihrem Parteitag einigt sich die Linke auf eine halbwegs ausgewogene Haltung zur Krise in der Ukraine und Russland. Die Frage der Regierungsfähigkeit ist damit noch lange nicht entschieden. Wohl aber die Frage, wer die Partei bis 2016 führt«, analysiert Thorsten Denkler auf süddeutsche.de. Mehr hier
Anders sieht das Mathias Meisner auf tagesspiegel.de »Mit ihrer Ukraine-Politik schießt die Linke weit über das Ziel hinaus. Sie zerstört nicht nur Bündnisoptionen mit SPD und Grünen, sondern könnte auch das Erbe Gregor Gysis zunichte machen.« Mehr hier
»Eines kann man zwei Jahre nach dem Göttinger Parteitag ohne Zweifel feststellen: Die Linke ist befriedet«, schreibt Markus Decker in der »Frankfurter Rundschau«. Die Partei müsse sich aber in der Außenpolitik und »an anderen Stellen bewegen, um realitäts- und koalitionstauglich zu werden. Doch wenn sie sich bewegt, dann brechen die alten Konflikte wieder auf – jene Konflikte, die sie vor und in Göttingen an den Rand der Spaltung brachten. Kurzum: Die Linke ist neuerdings eine stabile, aber in vielerlei Hinsicht auch eine zementierte Partei. Ob sie zu mehr strukturell überhaupt fähig ist, steht dahin.« Mehr hier
»Die Linke hat eine neue Spitze gewählt. Die Vorsitzenden Kipping und Riexinger wurden dafür belohnt, dass sie den zerstrittenen Laden zusammengehalten haben. Doch der Parteitag in Berlin zeigt, wie zerbrechlich der Frieden unter Linken ist«, schreibt Fabian Reinbold auf Spiegel online. Mehr hier
Die »Strategie der recht geräuscharmen Beseitigung von Differenzen jenseits der Öffentlichkeit ist typisch für den Führungsstil des 2012 erstmals gewählten Duos Katja Kipping und Bernd Riexinger«, schreibt Miriam Hollstein auf Welt.de. Das Wahlergebnis für Kipping könne man aber »durchaus als kleinen Denkzettel für die Parteichefin verstehen. Verschwunden sind die Flügelkämpfe ohnehin nicht, aber sie sind weniger heftig und weniger eindeutig geworden.« Mehr hier
»Die sonst so zerstrittene Linke hält einen ungewöhnlich harmonischen Parteitag ab«, heißt es beim Deutschlandfunk. »Das ist zweifellos ein Verdienst der wiedergewählten Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger, kommentiert Günter Hellmich. Als stärkste Oppositionspartei können die Genossen gemütlich radikale Forderungen stellen und ihren Linksruck zelebrieren.« Mehr hier
»Die Linke geriert sich gerne als Kämpferin gegen Unternehmensspenden an Parteien. Ihrer eigenen Partei aber wollen die Delegierten auf dem Berliner Parteitag diese Zuwendungen nicht verbieten. Damit sitzt die Linke in der Glaubwürdigkeitsfalle«, kommentiert Thorsten Denkler auff süddeutsche.de. Mehr hier
»Man muss kein Prophet sein, um der Linkspartei an diesem Wochenende einen ruhigen Parteitag vorherzusagen«, hatte Alexandra Jacobson bereits am Freitag in der »Neuen Westfälischen« kommentiert. »Eine Partei wie die Linke, die etwa Putin alles durchgehen lässt und die Schuld immer bei der EU, den USA und der NATO sucht, will sich von ihren lieb gewordenen Scheuklappen nicht trennen. Und woher in der Wirtschaftspolitik das ganze Geld kommen soll, das die Linke hierzulande zum Beispiel an Rentner und Arbeitslose verteilen will, ist nicht einmal im Ansatz klar.« Mehr hier
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