»Die Linke hat die Ukraine verschlafen«

Linke Gruppen und Friedensbewegung ruft zu Friedensdemo am 31. Mai auf / Ein Mitmischen auf den neuen Montagsdemos hält sie für »vorschnell«

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Viele Bürger fürchten sich vor der Dynamik des Ukrainekonflikts. Doch nicht einmal auf den Ostermärschen war derselbe ein Thema. Das soll sich nun ändern, sagen führende Friedensbewegte.

Mehr als Tausend Menschen zieht es jeden Montagabend auf die Straße - und das allein in Berlin. In zudem rund 60 weiteren Städten und Orten haben sich in den vergangenen Wochen die sogenannten Montagsmahnwachen für Frieden in der Ukraine etabliert.

Für Außenstehende geben dieselben indes kein wirklich klares Bild ab. Hinter den Mahnwachen stehen jedenfalls nicht die üblichen Veranstalter von Friedensdemonstrationen in der Bundesrepublik. Die bekannteren Köpfe, die dort auftauchen, lassen sich leicht ins neurechte oder verschwörungstheoretische Lager stecken.

Die Linke hingegen kommt in Sachen Ukraine nur schwerfällig in die Gänge. Bis jetzt. Vergangene Woche trafen sich gleich zwei Initiativen zur Bildung eines Antikriegsbündnisses. Gemeinsam wollen sie nun zu einer Demonstration am 31. Mai in Berlin aufrufen. Sie hoffen, dafür auch Parteien und Gewerkschaften zu gewinnen.

»Die Linke hat vollkommen verschlafen, sich in der Ukrainefrage zu organisieren«, sagt Michael Prütz von der Neuen Antikapitalistischen Organisation in Berlin, die das Antikriegsbündnis zusammen mit der Friedenskoordination Berlin initiiert hat. Das will sie nun nachholen.

Mitte März meldete sich der Bundesausschuss Friedensratschlag mit einem Positionspapier zur Situation in der Ukraine, in dem er vor weiteren Eskalationen warnte und alle Konfliktparteien zum Dialog aufforderte. Viel mehr passierte nicht. Selbst die traditionellen Ostermärsche kamen weitgehend ohne Bezug zur Ukraine aus. In Berlin organisierte ein spontanes Bündnis am 4. Mai eine Solidaritätsdemonstration mit den Angehörigen der zwei Tage zuvor im südukrainischen Odessa getöteten Antifaschisten.

Am 5. Mai kam es in zwei Städten zu Annäherungen zwischen dem linken Lager und den Veranstaltern der Montagsdemos. In Aachen trat Otmar Steinbicker von der Kooperation für den Frieden auf der Kundgebung der dortigen »Friedensbewegung 2014« auf. Zuvor hatten sich deren Veranstalter nach ersten Gesprächen mit Steinbicker »klar und eindeutig zu der Position bekannt, die die Demokraten unserer Stadt eint: Wir sind Aachen, Nazis sind es nicht!«, so der Friedensaktivist.

In Berlin hielt auf der von Lars Mährholz organisierten Montagsmahnwache am Brandenburger Tor Ex-Attac-Sprecher Pedram Shahyar eine Rede. Zuvor hatte er bereits zweimal an der Mahnwache teilgenommen. Auch eine Woche nach seiner Rede steht er wieder im Publikum. Neurechte Agitatoren wie Jürgen Elsässer dürften nicht mehr aufs Podium, das habe ihm Mährholz versprochen, erzählt Shahyar.

Für Prütz ist das ein »Super-Schritt«. »Ich kann mir vorstellen, künftig mit den Veranstaltern der Montagsdemos in den Dialog zu treten, wenn sie sich tatsächlich eindeutig nach rechts abgrenzen«, sagt er gegenüber »nd«. Er teile Shahyars Ansicht, dass man die Menschen nicht allein lassen solle mit ihren Sorgen vor einem großen Krieg. Dessen Aufforderung, dass mehr Linke das Mikrofon der Montagsdemo in Berlin ergreifen sollten, bei der zumindest nach eigener Außendarstellung jeder reden darf, der etwas zum Thema zu sagen hat, hält Prütz allerdings für vorschnell.

So ähnlich sieht das auch Laura von Wimmersperg, die bereits seit 34 Jahren in der Berliner Friedensbewegung aktiv ist. »Wir sind offen gegenüber Bewegungen, die sich neu entwickeln«, sagte sie zu »nd«. Vieles, was auf der Montagsdemo gesagt werde, könne auch sie vertreten. Die Forderung nach Frieden sei ein verbindendes Element.

Doch die Ausrichtung der Mahnwache in Berlin hält sie zurzeit noch für nur schwer einzuschätzen. »Wir haben nie und wir werden nicht mit ausgewiesen rechten Organisationen und Gruppen zusammenarbeiten«, sagt sie dazu.

Überhaupt: Das Wichtige sei jetzt nicht die Auseinandersetzung mit den Montagsdemos. Das Wichtige sei, selbst etwas gegen den Konflikt in der Ukraine auf die Beine zu stellen.

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